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Zwielicht

Zwielicht

Titel: Zwielicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean R. Koontz
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vor.
    Anfangs war er freundlich, aber ziemlich verschlossen und etwas mißtrauisch, wie die Menschen auf dem Lande es gegenüber Fremden sehr oft sind. Um das Eis zu brechen, tat ich intuitiv, was man bei mir zu Hause in Oregon tut, wenn man einen Nachbarn bei einer schwierigen Arbeit antrifft: Ich bot ihm Hilfe an. Er lehnte höflich ab, aber ich war hartnäckig.
    »Unsinn«, sagte ich, »wenn ein Mann nicht mal die Kraft hat, eine Schaufel zur Hand zu nehmen, wie soll er dann jemals am Jüngsten Tag die Energie aufbringen, in den Himmel zu kommen?«
    Das gefiel Horton Bluett, und er erlaubte mir, eine zweite Schaufel aus seiner Garage zu holen. Wir arbeiteten einträchtig nebeneinander, und manchmal löste Rya mich oder Mr. Bluett für kurze Zeit ab.
    Wir unterhielten uns über das Wetter und über Winterkleidung. Horton Bluett war der Meinung, daß altmodische Mäntel mit Vliesfutter um hundert Prozent wärmer seien als die wattierte Kleidung, die in den letzten zehn Jahren den Markt erobert hatte. Wenn Sie mir nicht glauben, daß man sich länger als zehn Minuten über die Vorzüge von Vlies unterhalten kann, dann verstehen Sie weder das gemächliche Tempo des Landlebens noch den Reiz solcher Gespräche.
    In den ersten Minuten unseres Besuchs bemerkte ich, daß Horton Bluett ständig laut schnüffelte und schniefte und sich mit dem behandschuhten Handrücken die große Nase rieb. Obwohl er sich kein einziges Mal schneuzte, dachte ich, er hätte eine leichte Erkältung. Dann hörte er plötzlich damit auf, und erst viel später erfuhr ich, daß seine Schnüffelei einen ganz bestimmten Grund gehabt hatte.
    Bald war die Arbeit getan. Rya und ich wollten uns verabschieden, aber er bestand darauf, daß wir ins Haus mitkommen und uns mit heißem Kaffee und selbstgemachten Walnußkuchen stärken müßten.
    Sein einstöckiges Haus war kleiner als unsere gegenwärtige Bleibe, aber es war wesentlich gepflegter. Man hatte das Gefühl, als wäre alles erst vor einer Stunde frisch gestrichen, lackiert oder poliert worden. Der Winter konnte Horton nichts anhaben, denn er hatte Sturmfenster und Sturmtüren und riesige Holzvorräte für den Steinkamin im Wohnzimmer, der die Kohleheizung ergänzte.
    Wir erfuhren, daß er seit fast dreißig Jahren Witwer war und in dieser langen Zeit gelernt hatte, einen Haushalt perfekt zu führen. Besonders stolz schien er auf seine Kochkünste zu sein, und sowohl sein starker Kaffee als auch der köstliche Kuchen deuteten darauf hin, daß er wirklich ein ausgezeichneter Koch war.
    Er hatte auf dem Rangierbahnhof gearbeitet, war aber seit neun Jahren Rentner. Und obwohl er Etta, seine Frau, seit ihrem frühen Tod im Jahre 1934 immer schmerzlich vermißt hatte, war er sich der Lücke, die sie in seinem Leben hinterlassen hatte, besonders stark bewußt geworden, seit er im Ruhestand war; denn seitdem verbrachte er viel mehr Zeit in diesem Haus, das sie zusammen vor dem Ersten Weltkrieg gebaut hatten. Er war 74, aber man hätte ihn ohne weiteres für zwanzig Jahre jünger halten können. Nur die verarbeiteten, leicht arthritischen Hände verrieten sein wahres Alter... und jene Aura der Einsamkeit, die jeden Mann umgibt, dessen Leben sich hauptsächlich um seinen Beruf drehte, den er nun nicht mehr ausüben kann.
    Ich hatte mein Stück Kuchen zur Hälfte aufgegessen, als ich scheinbar so nebenbei sagte: »Ich bin überrascht, daß hier noch soviel Kohle gefördert wird.«
    »O ja«, erwiderte er, »sie wird aus großer Tiefe rausgeholt; ich nehme an, weil sehr viele Leute es sich einfach nicht leisten könnten, ihre Heizungen auf Öl umzustellen.«
    »Ich dachte immer, die Kohlevorräte in diesem Teil des Landes wären ziemlich erschöpft. Außerdem wird Kohle heutzutage doch meistens auf flacherem Terrain abgebaut, speziell im Westen, wo man sie im Tagebau fördert, anstatt Schächte zu graben. Tagebau kommt erheblich billiger.«
    »Hier werden noch Schächte gegraben«, sagte Horton.
    »Dann muß die Geschäftsleitung aber ganz schön clever sein«, meinte Rya. »Irgendwie müssen sie die Unkosten niedrig halten. Uns ist nämlich aufgefallen, wie neu die LKWs der Kohlen-Gesellschaft aussehen.«
    »Sie meint die LKWs dieser Gesellschaft namens ›Blitz‹«, fuhr ich fort. »Peterbilts. Wirklich modern und ganz neu.«
    »Nun, das ist in der ganzen Gegend das einzige Bergwerk, das noch Kohle fördert, und wahrscheinlich machen sie ganz gute Gewinne, nachdem ja keine Konkurrenz da ist.«
    Über die

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