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Zwielicht

Zwielicht

Titel: Zwielicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean R. Koontz
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lebhaft vorstellen, daß der Troll unter der Erdschicht die Arme bewegte, nach seinem Kopf griff und sich diesen aufsetzte wie einen Hut, daß die Wirbel sich nahtlos zusammenfügten, daß die Haut sich schloß, daß in seinen Augen jenes rote Licht neu erglühte... Deshalb legte ich den Kopf beiseite und begrub nur den Körper. Ich stampfte die Erde mit den Füßen fest, so gut ich konnte, und streute dann Sägespäne darüber.
    Den Kopf meines Feindes bei den Haaren zu tragen, verlieh mir das Gefühl, ein wilder Kannibale zu sein, und ich ekelte mich vor mir selbst, während ich zum Eingang eilte und das Licht ausschaltete.
    Die Zeltbahn, die ich losgebunden hatte, flatterte im Wind. Ich schaute vorsichtig hinaus. Der Rummelplatz lag im bleichen Licht des untergehenden Mondes wie ausgestorben da.
    Ich schlüpfte ins Freie, legte den Kopf ab, befestigte die Leinwand, nahm den Kopf wieder zur Hand und sah zu, daß ich rasch von der Straße wegkam. Vorbei an Generatoren und Lastwagen, erreichte ich ein brachliegendes Feld und gleich dahinter den nächstgelegenen Teil des Waldes, der das Jahrmarktsgelände auf drei Seiten umgab. Mit jedem Schritt wuchs meine Angst, daß der Kopf zu neuem Leben erwachen würde — daß die Augen aufglühen und die Lippen sich zu einem höhnischen Grinsen verziehen würden —, und ich hielt ihn auf Armeslänge von mir weg, damit er mich nicht in den Schenkel beißen konnte.
    Natürlich war er tot. Jede Spur von Leben war für immer aus ihm gewichen. Das Zähneknirschen und -klappern, das haßerfüllte Gemurmel — all das bildete ich mir natürlich nur ein. Meine Fantasie ging mit mir durch, sie raste in wildem Galopp durch eine alptraumhafte Landschaft schaurigster Möglichkeiten.
    Als ich mich schließlich durchs Unterholz vorarbeitete, eine kleine Lichtung neben einem Bach fand und den Kopf auf einem Stein ablegte, reichte das gespenstische Mondlicht aus, um mir zu beweisen, daß meine Befürchtungen grundlos waren, daß kein Funke Leben mehr in ihm war.
    Im weichen feuchten Lehmboden am Wasser ein Loch zu graben, war sogar mit bloßen Händen ganz einfach. Die Bäume, deren nachtschwarzes Geäst wie Hexenröcke und Mäntel von Zauberern aussah, hielten am Rand der Lichtung Wache, während ich den Kopf begrub, die Erde feststampfte und mit welkem Laub und Tannennadeln bedeckte.
    Um jetzt die Rolle eines Lazarus zu spielen, würde der kopflose Leichnam sich aus seinem Grab befreien, blindlings zum Wald kriechen oder stolpern, die Lichtung ausfindig machen und seinen Kopf ausbuddeln müssen. Obwohl die Ereignisse der letzten Stunde mir einen noch größeren Respekt vor den bösen Kräften der Trolle eingeflößt hatten, war ich doch überzeugt davon, daß sie derart mächtige Hindernisse nicht überwinden konnten. Der Unhold war tot, und er würde jetzt auch für immer tot bleiben.
    Bis jetzt war meine panische Angst mir durchaus zustatten gekommen, denn sie allein hatte mich befähigt, alles Notwendige zu tun. Doch jetzt blieb ich noch ein Weilchen auf der Lichtung stehen und versuchte mich zu beruhigen. Das war nicht einfach.
    Ich mußte immer wieder an Onkel Denton drüben in Oregon denken. Waren seine schrecklichen Wunden im Sarg vielleicht verheilt, hatte er sich einige Wochen nach meiner Flucht vielleicht aus seinem Grab befreien können? Hatte er der Farm, wo meine Mutter und meine Schwestern noch immer lebten, einen Besuch abgestattet, um sich an der Familie Stanfeuss zu rächen? Waren sie durch meine Schuld die Opfer eines Trolls geworden? Nein! Das war undenkbar. Mit solcher Schuld beladen, hätte ich nicht weiterleben können. Onkel Denton war nicht zurückgekehrt. Zum einen hatte er sich an jenem Tag, als ich ihn stellte, mit solcher Kraft gewehrt, daß ich schließlich in einen Zustand wilder Raserei geraten war und die Axt immer und immer wieder geschwungen hatte, auch als er bereits tot war. Ich hatte ihn dermaßen zerhackt, daß sogar eine übernatürliche Heilung im Grab völlig ausgeschlossen schien. Doch falls er dennoch auferstanden sein sollte, so hatte er mit Sicherheit das Haus der Stanfeuss und das gesamte Gebirgstal gemieden, wo jeder ihn kannte und wo das Wunder seiner Rückkehr aus dem Grabe sich sofort herumgesprochen und kolossales Aufsehen erregt hätte. Ich war mir sicher, daß er langsam in seinem Sarg verweste, aber falls er nicht in seinem Grab lag, war er jedenfalls weit von Oregon entfernt, lebte irgendwo unter einem anderen Namen und quälte andere

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