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Zwielicht

Zwielicht

Titel: Zwielicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean R. Koontz
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hatte. Und wenn dem so war, dann brauchte ich diesen Geist nur in seine Lampe zurückzustoßen — das heißt, diese gräßliche Erscheinung wegzuwünschen —, um gerettet zu sein.
    Aber so kräftig ich den Kopf auch schüttelte, so verzweifelt ich auch leugnete, was ich vor mir sah — der Leichnam legte sich nicht wieder tot hin. Mit madenweißen Händen hielt er sich an den Rändern des Grabes fest und setzte sich auf, ohne mich aus den Augen zu lassen. Aus den Falten seines Hemdes rieselte Erde, und sein schmutziges Haar war zerzaust und verfilzt.
    Ich war im Krebsgang bis zur seitlichen Trennwand der Box gekrochen. Ich wollte aufstehen, über die Seilabsperrung springen und das Weite suchen. Aber ich fühlte mich völlig außerstande, auch nur einen Schritt zu machen.
    Der Leichnam grinste, und kleine feuchte Erdklümpchen fielen aus seinem offenen Mund, während die Erde zwischen seinen Zähnen weiterhin haften blieb. Das schaurige Grinsen von Totenschädeln war weit weniger grausig als diese grotesk verzogenen, blutleeren Lippen und diese schmutzigen Zähne.
    Es gelang mir, auf die Knie zu kommen.
    Der Leichnam schob mit seiner Zunge weitere feuchte Erde aus seinem Mund und gab einen schwachen Laut von sich, eine Art Krächzen oder Schnauben, das sich eher erschöpft als bedrohlich anhörte.
    Ich holte tief Luft und richtete mich langsam auf.
    Ich wischte mir den salzigen Schweiß aus einem Augenwinkel und nahm instinktiv eine geduckte, affenartige Haltung ein — gekrümmter Rücken, gebeugte Schultern, eingezogener Kopf.
    Aber ich wußte nicht, was ich als nächstes tun sollte. Ich wußte nur, daß ich nicht wegrennen konnte, nicht wegrennen durfte. Irgendwie mußte ich mich dieses verhaßten Wesens entledigen, mußte es noch einmal töten und diesmal ganze Arbeit leisten, denn wenn ich das nicht tat, würde es sich vielleicht hinausschleppen, andere Trolle aufsuchen und ihnen erzählen, was ich ihm angetan hatte. Dann würden sie wissen, daß ich ihre Tarnung durchschauen konnte, und sie würden es weiteren Trollen berichten, und bald würden alle Trolle über mich Bescheid wissen, und dann würden sie sich organisieren und eine Treibjagd auf mich veranstalten, weil ich für sie eine größere Bedrohung darstellte als jeder andere Mensch.
    Ich sah jetzt hinter den trüben Augen einen schwachen roten Schimmer — das blutfarbene Licht anderer Augen, der Trollaugen. Einen winzigen Punkt. Ein matt flackerndes Höllenfeuer. Nicht das blendende Licht von ehedem. Nur ein ferner pulsierender Funken in jedem Augapfel. Von dem Troll war sonst nichts mehr zu sehen, keine Schnauze, keine Fangzähne, nur diese Andeutung der gräßlichen Augen. Vielleicht hatte sich der Unhold auf der Straße des Todes schon viel zu weit entfernt, um seine ganze Präsenz in diese menschliche Hülle zurückprojizieren zu können. Aber sogar dieses wenige war unmöglich. Verdammt, ich hatte ihm eine tödliche Halswunde beigebracht, und sein Herz hatte vorletzte Nacht im Autoskooter-Pavillon aufgehört zu schlagen, und er hatte aufgehört zu atmen. Allmächtiger Himmel, er hatte zwei volle Tage nicht geatmet, während er begraben gewesen war — er atmete auch jetzt nicht, soviel ich feststellen konnte —, und er hatte soviel Blut verloren, daß einfach nicht mehr genügend übrig sein konnte, um den Kreislauf aufrechtzuerhalten.
    Der Leichnam bemühte sich mit irrem Grinsen, aus dem halb offenen Grab herauszukommen. Aber sein Unterkörper steckte noch immer unter einem halben Meter Erde fest, und es fiel ihm alles andere als leicht, sich zu befreien. Doch er strengte sich mit diabolischer Entschlossenheit und mit den abgehackten Bewegungen einer beschädigten Maschine nach Kräften an.
    Obwohl ich ihn dort im Autoskooter für tot gehalten hatte, hatte offenbar noch ein winziger Lebensfunke in ihm geglommen. Anscheinend konnten Trolle einen Rückzug vor dem Tod antreten, wenn uns Menschen nichts anderes übrigblieb, als uns zu ergeben. Suchten sie Zuflucht in einem Scheintod? Irgend so etwas mußte es wohl sein. Und dann hüteten sie diesen schwachen Lebensfunken wie einen Goldschatz, ließen ihn nicht erlöschen... Aber was dann? Konnte ein fast toter Troll den Lebensfunken allmählich neu entfachen, zu einer kleinen Flamme, die sich ihrerseits wieder in ein loderndes Feuer verwandelte? Konnte ein Troll seinen beschädigten Körper irgendwie reparieren, sich neu beleben und aus dem Grab zurückkehren? Wenn ich diesen hier nicht

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