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Zwielicht

Zwielicht

Titel: Zwielicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean R. Koontz
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Gelbe Shorts. Vier verschiedene Gelbtöne auf einem quergestreiften T-Shirt. Sie trug einen BH, denn wir befanden uns im Jahre 1963, und die Besucher hätten sich über eine Frau ohne BH entrüstet, obwohl die Schausteller einen solchen Aufzug schon damals ohne weiteres akzeptierten. Sie hatte ein leuchtendgelbes Band im Haar. Tochter der Sonne...
    Ich sprang auf und versuchte, ihr die Hände auf die Schulter zu legen und sie auf die Wange zu küssen, wurde von ihr aber daran gehindert, indem sie eine Hand gegen meine Brust stemmte. »Ich will keine Mißverständnisse«, sagte sie.
    »In welcher Hinsicht?«
    »Bezüglich der Ereignisse der letzten Nacht.«
    »Was könnte ich da mißverstehen?«
    »Was sie bedeuten.«
    »Und was bedeuten sie nun?«
    Sie runzelte die Stirn. »Sie bedeuten, daß ich dich mag...«
    »Gut!«
    »Und sie bedeuten, daß wir einander Genuß schenken können...«
    »Das ist dir aufgefallen!«
    »...aber sie bedeuten nicht, daß ich dein Mädchen bin oder so was Ähnliches.«
    »Du siehst aber schon wie ein Mädchen aus, finde ich.«
    »Auf dem Rummelplatz bin ich nach wie vor dein Boß.«
    »Ah.«
    »Und du bist mein Angestellter.«
    »Ah.«
    O Gott, dachte ich insgeheim.
    »Und ich wünsche keine... keine übermäßigen Vertraulichkeiten auf dem Rummelplatz.«
    »Gott bewahre! Aber abseits vom Rummelplatz können wir schon noch vertrauten Umgang pflegen?«
    Sie war sich ihrer verletzenden Art gar nicht bewußt und begriff nicht, wie demütigend ihre Worte für mich waren. Deshalb konnte sie meine Spöttelei auch nicht richtig einordnen. Trotzdem riskierte sie ein Lächeln. »Richtig. Außerhalb des Rummelplatzes erwarte ich von dir ein gänzlich unkonventionelles Benehmen.«
    »Das hört sich fast so an, als hätte ich zwei Jobs. Hast du mich nun wegen meiner Talente als Ausrufer eingestellt — oder auch wegen der Vorzüge meines Körpers.«
    Ihr Lächeln erstarb auf den Lippen. »Selbstverständlich als Ausrufer.«
    »Ausgezeichnet, Boß. Ich würde nämlich nur ungern glauben müssen, daß du diesen armen, schlecht bezahlten Mann ausnutzt.«
    »Ich meine es ernst, Slim.«
    »Das ist mir klar.«
    »Warum machst du dann Witze?«
    »Es ist eine gesellschaftlich akzeptable Alternative.«
    »Wozu?«
    »Zu lautem Gebrüll und vorschnellen Beleidigungen.«
    »Du bist wütend auf mich.«
    »Ah, du bist nicht nur schön, sondern auch schnell von Begriff, Boß.«
    »Du hast keinen Grund, wütend zu sein.«
    »Nein. Wahrscheinlich bin ich einfach ein Hitzkopf.«
    »Ich versuche doch nur, klare Verhältnisse zwischen uns zu schaffen.«
    »Sehr geschäftstüchtig. Das bewundere ich.«
    »Sieh mal, Slim, ich will doch nur sagen, daß alles, was zwischen uns privat passiert, eine Sache ist — und was hier auf dem Rummelplatz passiert, eine andere.«
    »Allmächtiger Himmel, ich würde nie vorschlagen, daß wir gleich hier miteinander schlafen sollen«, sagte ich.
    »Du bist wirklich schwierig.«
    »Während du die geborene Diplomatin bist!«
    »Sieh mal, manche Männer wären der Ansicht, daß sie sich bei der Arbeit nicht mehr anzustrengen brauchen, sobald sie ihre Chefin rumgekriegt haben.«
    »Bin ich denn in deinen Augen ein so mieser Kerl?« fragte ich.
    »Hoffentlich nicht.«
    »Das hört sich nun nicht gerade wie ein Vertrauensvotum an.«
    »Ich will nicht, daß du mir böse bist«, sagte sie.
    »Ich bin dir nicht böse«, schwindelte ich.
    Ich wußte, daß sie im Umgang mit Menschen große Probleme hatte. Aufgrund meines sechsten Sinnes hatte ich ein besonderes Gespür für ihre Schwermut, Einsamkeit und Unsicherheit — und die daraus resultierende provozierende Schroffheit —, und mein Mitleid war genauso groß wie meine Wut.
    »Doch«, widersprach sie. »Du bist mir böse.«
    »Schon gut«, meinte ich. »Und jetzt muß ich mich an die Arbeit machen. Da hinten rücken schon die ersten Besucher an.«
    »Ist zwischen uns alles in Ordnung?«
    »Ja.«
    »Bestimmt?«
    »Ja.«
    »Bis später.«
    Ich blickte ihr nach, und ich liebte und haßte sie, aber hauptsächlich liebte ich sie, diese rührend zerbrechliche Amazone. Es war sinnlos, auf sie wütend zu sein; sie hatte etwas von einem Naturelement an sich. Dem Wind oder der Winterkälte oder der Sommerhitze konnte man schließlich auch nicht grollen — man vermochte durch Zorn nichts an ihnen zu ändern, und das gleiche traf auf Rya Raines zu.
    Um eins löste Marco mich für 30 Minuten ab, um fünf für drei Stunden. Beide Male dachte ich daran,

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