Zwielicht
zugetraut hätte, vom Boden hoch und schleuderte mich wie einen Sack von sich. Ich landete mit dem Gesicht nach unten im Grab, hatte den Mund voll Erde und spürte einen Regenwurm an meiner Nase.
Ich würgte, schluckte etwas Erde, spuckte den größten Teil aus und drehte mich gerade noch rechtzeitig auf den Rücken, um zu sehen, wie der Troll die beschädigte Apparatur seines Körpers schwerfällig an den Rand des Grabes heranschob. Er starrte auf mich herab. Augen wie Eis und Feuer. Sein Schatten huschte unruhig über mich hinweg, weil die Glühbirne sich im Luftzug bewegte.
Der Abstand zwischen uns war nicht groß genug, um das Messer erfolgreich werfen zu können. Doch ich erkannte schlagartig die Absicht des Wesens, packte den Messergriff mit beiden Händen, stählte meine Schultern, Ellbogen und Handgelenke und richtete die Klinge genau in jenem Moment auf die Kreatur, da sie sich mit ausgebreiteten Armen und irrem Grinsen auf mich fallen ließ. Sie spießte sich selbst auf dem Messer auf und drückte mir mit ihrem Gewicht die Luft aus den Lungen.
Obwohl die Klinge bis zum Heft in die Brust eingedrungen war, hatte diese Ausgeburt der Hölle noch immer Leben in sich. Ihr Kinn lag auf meiner Schulter, und sie preßte eine ihrer kalten Wangen an die meinige und murmelte mir unverständliches Zeug ins Ohr, und ihre Arme und Beine zuckten mit spinnenartiger Geschwindigkeit, und ihre Hände zitterten und verkrampften sich.
Grenzenloser Ekel und unermeßliches Entsetzen verliehen mir neue Kraft, und ich schaffte es mit Stößen, Schlägen, Tritten und Verrenkungen, mich von dem Leichnam zu befreien, bis unsere Positionen schließlich vertauscht waren. Ich kniete über ihm, ein Knie auf seiner Leiste, das andere auf der Erde. Ich stieß Flüche aus, die aus halben Wörtern und einzelnen Silben bestanden und genausowenig Sinn ergaben wie das Gemurmel meines toten Gegners, dessen Lippen sich noch immer bewegten. Ich riß das Messer aus seiner Brust heraus und stach erneut zu, einmal, zweimal, dreimal, in Hals, Brust und Bauch, und dann noch ein weiteres Mal. Er schwang blindlings seine riesigen Fäuste, aber sogar in meiner Raserei konnte ich den meisten Schlägen mühelos ausweichen, obwohl die wenigen, die meine Arme und Schultern trafen, sehr schmerzhaft waren. Schließlich erzielte mein Messer den gewünschten Effekt, beseitigte das Krebsgeschwür unnatürlichen Lebens aus diesem kalten Fleisch, bis die krampfhaften Zuckungen der Beine aufhörten, die Arme sich immer langsamer und unsicherer bewegten und das Ding sich in die eigene Zunge biß. Zuletzt fielen die Arme kraftlos herunter, der Mund erschlaffte, und das schwache rote Licht erlosch in seinen Augen.
Ich hatte das satanische Wesen umgebracht.
Zum zweitenmal.
Aber das reichte noch nicht. Ich mußte sicherstellen, daß das Wesen diesmal auch tot blieb. Ich konnte jetzt sehen, daß die tödliche Halswunde, die ich ihm im Autoskooter beigebracht hatte, teilweise verheilt war. Bis zu dieser Nacht hatte ich nicht gewußt, daß Trolle — wie die Vampire des europäischen Volksglaubens — manchmal auferstehen konnten, wenn sie nicht gründlich genug getötet worden waren. Nachdem mir diese düstere Wahrheit nun aber bekannt war, würde ich kein Risiko mehr eingehen. Solange der Adrenalinstoß noch wirksam war und ich weder von Verzweiflung noch von Übelkeit überwältigt wurde, schnitt ich der Kreatur den Kopf ab. Es war keine leichte Arbeit, aber das Messer war scharf, die Klinge aus gehärtetem Stahl, und mein Entsetzen und meine Wut verliehen mir noch immer zusätzliche Kräfte.
Wenigstens floß bei dieser grausigen Tat kein Blut, denn ausgeblutet war die Leiche schon vor zwei Tagen.
Draußen heulte und brauste der heiße Sommerwind um das Zelt. Die wogende Leinwand knatterte und zerrte an den Seilen, die sie an den Boden fesselten, so als wäre sie ein riesiger dunkler Vogel, der vergeblich wegzufliegen versuchte.
Große schwärzliche Motten schwirrten um die Glühbirnen herum und trugen das ihre zum Kaleidoskop von Licht und Schatten bei. Diese ständig wechselnden, umherhuschenden Phantomgebilde machten mich in meiner ohnehin überreizten Verfassung ganz verrückt und verstärkten das unangenehme Schwindelgefühl, das mich zu überwältigen drohte.
Nach vollendeter Enthauptung wollte ich den Kopf zunächst einfach zwischen die Beine des Leichnams legen und das Grab zuschütten, doch das war mir dann doch noch nicht sicher genug. Ich konnte mir
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