Zwielicht
wird die dortige Energie bald das Ausmaß erreicht haben, das wir beim Impuls im Vahni-System feststellten.«
»Soll heißen, dass uns ein weiterer bevorsteht«, folgerte Vaughn mit ernster Stimme.
»Davon gehen wir aus, Sir.«
»Wie lange noch?«, hakte der Kommandant nach.
Nog sah wieder zu Shar, doch diesmal suchte er moralische Hilfe, keine wissenschaftliche. Diese Frage wollte er nicht beantworten. Er wollte sich der Tatsachen verweigern, und wusste dennoch, dass es zwecklos war. »Dreieinhalb Tage«, sagte er leise.
Bevor Vaughn den entscheidenden Befehl gab, sah er auf das Padd in seiner Hand. In der oberen rechten Bildschirmecke wies ein blinkendes Symbol auf die aktive Verbindung zum Bibliothekscomputer des Schiffes hin, und in der Mitte hatte der blaue Fortschrittsanzei-ger die Dreiviertelmarkierung erreicht. Die Übertragung der Vahni-Daten und der Übersetzungsalgorithmen für ihre Schriftsprache dauerte seine Zeit.
Als Vaughn aufblickte, stand Lieutenant Dax vor ihm. Ihre weichen, runden Züge hatten einen angespannten Ausdruck angenommen, doch sie gab sich professionell, wie er fand. Die Situation mahnte zur Vorsicht, und Dax wirkte weder verängstigt noch unsicher, trotz der auf ihr ruhenden Verantwortung. »Falls etwas geschieht und wir nicht binnen achtzig Stunden zurück sind«, sagte er ihr, »will ich, dass Sie die Defiant von hier fortbringen.«
»Ja, Sir«, erwiderte sie ohne Zögern, obwohl der Gedanke, das dreiköpfige Außenteam seinem Schicksal zu überlassen, ihr sicherlich nicht gefiel. Nicht nach dem, was Ensign Roness widerfahren war. Es hätte niemandem gefallen. Während seiner langen Laufbahn hatte Vaughn mehr als genug Leute zurücklassen müssen, um zu wissen, dass so etwas nie leicht war. Und manchmal , dachte er, lässt man sogar sich selbst zurück … oder einen Teil von sich.
Er stand auf, trat um den Tisch und sah seinem Ersten Offizier in die Augen. »Lieutenant, nur damit das klar ist: Ich möchte nicht, dass die Defiant auch nur eine Sekunde länger als besprochen an diesem Ort verweilt. Wenn wir die Vahni schon nicht retten können, retten wir wenigstens unsere Besatzung.« Er traf die Entscheidung jetzt, damit sie sie später nicht treffen musste. Damit ihre Last leichter wurde.
Dax’ Haltung änderte sich. Sie nickte langsam und mit ernstem Gesicht, verschränkte die Hände hinter dem Rücken. Für einen Moment war Vaughn, als sehe er in das Gesicht einer anderen Frau.
»Verstanden«, sagte sie, und selbst ihre Stimme wirkte anders. »Ich werde nicht warten.«
»Gut.« Vaughn kehrte hinter seinen Tisch zurück. »Aber glauben Sie mir: Falls wir den nächsten Impuls nicht verhindern können, habe ich keinerlei Absicht, auf dem Planeten zu sein, wenn er losgeht.
Da unten befinden sich zwar noch Gebäude, aber keine Lebewesen.«
Er beugte sich nach rechts und sah abermals auf das Padd, ließ seine Fingerspitzen über die glatte Oberfläche gleiten. Der Fortschritts-anzeiger war zur Achtzig-Prozent-Marke weitergewandert.
»Sir?« Dax’ Stimme klang wieder ganz normal. »Was ist mit den Vahni Vahltupali? Falls Sie den Impuls nicht von unten und wir ihn nicht aus dem All aufhalten können, sollten wir sie kontaktieren.
Vielleicht sogar schon jetzt, um sie über die Lage zu informieren.«
Vaughn seufzte. Genau darüber hatte er die letzten Stunden nach-gedacht. »Ich habe mich dagegen entschieden«, sagte er und nahm wieder Platz. »Sollte der nächste Impuls so stark wie der letzte sein –
und die Vahni-Aufzeichnungen legen nahe, dass er diesen noch übertrifft –, bleibt ihnen keinerlei Überlebenschance. Die Beben würden zahllose Opfer fordern, und das wäre der Bestfall. Die Vahni haben keine Raumschiffe, und Hilfe vom Alpha-Quadranten käme nicht rechtzeitig.«
»Welchen Nutzen hätte es also, sie mit dem drohenden Ende ihrer Kultur zu konfrontieren?«, stellte Dax eine rhetorische Frage und nickte. »Es würde nur zu Panik führen.«
Vaughn stimmte zu. »Und zu Furcht, Sorge, Leid … Ich sehe keinen Grund, ihnen all das aufzubürden.« Was er jedoch sah, war eine Gelegenheit, sein Vertrauen in Dax’ Führungsqualitäten abermals zu untermauern. In den wenigen Monaten seit ihrem Wechsel zum Kommandostab hatte sie viel gelernt und gut gearbeitet. Genau deshalb hatte er sie für diese Mission und als Ersten Offizier ausgewählt. Die Tatsache, dass sich unter den Sternenflottenvertretern in der DS9-Besatzung nicht gerade Unmengen an
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