Zwielicht
gegnerischen Feuer aufriss. Sollte es so weit kommen, wären die Explosion und der Druckverlust nur der Anfang einer Kette schneller und katastrophaler Ereignisse, an deren Ende von der Defiant lediglich Trümmer und eine strahlend helle Energiesignatur übrig bleiben würden.
»Was wurde aus dem Ausweichmanöver?«, rief Vaughn Dax zu, wusste die Antwort aber längst. Der Lieutenant hatte sich den Anforderungen der Kommandoebene schnell und effizient angepasst und war ein guter Pilot, aber nicht so gut wie Prynn.
Wie Prynn gewesen war.
Eine unangenehme Mischung aus Stolz und Trauer drohte, ihn zu übermannen. Seine Augen wurden feucht. Zum ersten Mal seit Jahren erlaubte Vaughn sich den Gedanken, wie leicht es wäre, sich dem Schmerz zu ergeben, die Verpflichtungen zu ignorieren und zusammenzubrechen. Doch diese Option bot sich ihm nicht. Er zwang sich – wie schon oft –, seine Gefühle zu ignorieren. Du hast eine Aufgabe , sagte er sich wieder. Trauern konnte er, wenn er diese Begegnung mit den Jarada überlebte.
Dax kündigte eine Ausweichsequenz an, und die Triebwerke win-selten bei dem Versuch, den neuen Anweisungen zu entsprechen.
Vaughn wurde übel, als sich die Schwerkraftgeneratoren und Trägheitsdämpfer dem Kurs der Defiant anpassten. Das Schiff erbebte, entging jedoch den feindlichen Schüssen – zumindest für den Moment.
Vaughn sah zum Hauptmonitor und ergänzte im Geiste, was dieser ihm vorenthielt: zwei Jarada-Schiffe, die die Defiant umkreisten, und zwei weitere, die immer näher kamen. Als erfahrener Offizier war er schon in ähnlichen Situationen gewesen, aber nie hatte er so wenig unternehmen können.
Vaughn war es gelungen, den Flüchtlingen den Weg nach Torona IV zu erkaufen, indem er den Jarada technische Daten über die Portale versprach. Daraufhin war Europa Nova evakuiert worden. Danach hatte Vaughn einen Schiffskonvoi zum Torona-System geführt und die dortige halbe Million ebenfalls nach Bajor befördert, wo die Europani auf die Rückkehr auf ihre eigene Welt warteten. Vor weniger als einer Stunde war der letzte Transporter nach Bajor aufgebrochen, und mittlerweile schienen die Jarada bemerkt zu haben, dass die Portale nicht mehr funktionierten – vermutlich für immer, zweifelsfrei für die nahe Zukunft. Ein xenophobes Volk wie sie hätte diese Information eigentlich begrüßen müssen, doch da Vaughns technische Daten nun jeglichen Wert verloren hatten, fühlten sich die Jarada betrogen.
»Die uns nahen Schiffe trennen sich«, sagte Bowers. Vaughn wandte sich vom Monitor ab, wo die Sterne unter Dax’ Ausweich-versuchen hin und her zu gleiten schienen, und sah zu seinem taktischen Offizier. Das Licht der blinkenden Alarmlampen verlieh der dunklen Haut des Lieutenants ein warmes Glühen. »Sie nehmen uns in die Zange«, fuhr Bowers fort, sein Tonfall irgendwo zwischen Resignation und Wut gefangen. »Die neuen Schiffe sind bald in Schussreichweite.«
Als der Angriff begann, hatte die Mannschaft den Orbit von Torona IV gerade verlassen und nach DS9 zurückkehren wollen. Per Subraum hatte Vaughn mit einem Repräsentanten der planetaren Regierung gesprochen und ihm für seine Nachsicht gedankt. Zur Erwiderung waren von dem Jarada unzählige Vorwürfe gekommen –
Wörter, zu deren Übertragung der Universalübersetzer mitunter gar nicht in der Lage gewesen war. Stattdessen waren immer wieder die rauen, insektenhaften Klappergeräusche seiner Stimme durchge-drungen. Bevor Vaughn sich erklären, entschuldigen oder verteidigen konnte, war das Jarada-Schiff, das man ihnen als Eskorte zur Verfügung gestellt hatte, schon zum Angriff übergegangen. Einen Augenblick später hatte die planetare Verteidigung ins Geschehen eingegriffen, und ein weiteres Schiff dazugekommen.
Den ersten Attacken hatte die Defiant mühelos widerstanden, zähl-te sie doch zu den zähsten Schiffen der Sternenflotte. Doch auch sie trug Schäden davon. Vaughn war nur eine Option geblieben: der Rückzug. Dem militärischen Protokoll der Jarada zufolge, hätte ein Gegenangriff nur dazu geführt, dass die xenophoben Wesen auch dem Rest des Konvois nachsetzten. Nahezu die gesamte Rettungsflotte bestand aus Frachtern, Transportern und zivilen Schiffen, deren Geschwindigkeit, Bewaffnung und Verteidigungssysteme denen der Jarada unterlegen waren. Hunderttausende Europani befanden sich auf diesen Schiffen, von den mehreren Tausend Besatzungsmit-gliedern ganz zu schweigen.
»Wie lange noch?«, fragte Vaughn und meinte
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