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Zwielichtlande - Kellison, E: Zwielichtlande

Zwielichtlande - Kellison, E: Zwielichtlande

Titel: Zwielichtlande - Kellison, E: Zwielichtlande Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Erin Kellison
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seine unterdrückte Wut. »Sie hätten die Bedrohung abwenden können, bevor so viel passiert ist. Bevor so viele sterben mussten.«
    »Das hätten wir tun können, aber durch meine Gabe wusste ich, dass dieser Weg nicht zum Erfolg führt. Sie mussten Talia finden, nur so können wir den Dämon besiegen.« Ein Lächeln umspielte Abigails Lippen.
    »Warum?«, stieß Adam hervor.
    Talia konnte es sich denken. Sie bemerkte, wie Abigail sie mit ihrem Blick durchbohrte. Sie musste Talia nur für den Bruchteil einer Sekunde in die Augen sehen und wusste Bescheid. Mit selbstzufriedener Miene lehnte Abigail sich in ihrem Schaukelstuhl zurück.
    Die alte Talia hätte sich nie auch nur einem einzigen Geist entgegengestellt, ganz zu schweigen ihrem Anführer. Aber sie hatte sich verändert. Die Monate, die sie vor den Geistern auf der Flucht gewesen war, jener Moment in der glühendheißen Gasse in Arizona, ihr Aufenthalt in Segue, Adams Verständnis – all das hatte sie verändert. Sie funktionierte mit ihrer Angst. Sie ließ sich von ihrer Angst nicht davon abhalten, nach Antworten zu suchen. Schaffte es, sich und ihre dunkle Gabe zu akzeptieren. Und in Gedenken an Patty hatte sie gelernt, ihre Angst für etwas zu überwinden, das wichtiger war als sie selbst.
    Wenn es sein musste, konnte sie jetzt einem unsterblichen Dämon ins Gesicht schreien.
    Anscheinend konnte Abigail doch in die Zukunft von Feen sehen.
    Adam öffnete den Mund, um seine Frage zu wiederholen, kam jedoch nicht mehr dazu, weil Abigail auf einmal keuchte. Mit flackernden Augen ließ sie den Kopf gegen die Lehne des Schaukelstuhls sinken. Sie stöhnte laut und tief.
    Adam blickte zu Zoe. »Was hat sie?«
    »Eine Vision«, erwiderte Zoe.
    Soweit das überhaupt möglich war, schien Abigail vor Talias Augen noch stärker zu altern.
    Angespannt griff Talia nach den Schatten. Die Schleier glitten um ihre Schultern, ihre Sinne verschärften sich. Sie kämpfte nicht gegen die Dunkelheit, sondern ließ die Verbindung zum Jenseits um sich herumfließen. Dazu war sie schließlich auf der Welt.
    »Ich sehe einen Mann«, wimmerte Abigail.
    Talia beobachtete Adam, der vor Abigails Stuhl kauerte, um keinen Hinweis aus ihrer Vision zu verpassen. Die Schatten umwaberten ihn, sammelten sich und wälzten sich wie ein Gewittersturm von seinen breiten Schultern.
    »Einen Mann, der auf der Suche nach etwas ist … «, wiederholte Abigail.
    Sie war anders. Bei Abigail sickerten kleine schwarze Rauchfähnchen in den Körper, sammelten sich in ihren Augen und teilten sich den Platz mit ihrer Seele.
    Die Frau musste vollkommen irre sein. Vielleicht war sie es ja tatsächlich ein bisschen.
    Am Rand von Abigails Schatten erhaschte Talia einen Blick auf ihre Vision.
    Ja, es tauchten Gesicht und Körper eines Mannes auf, der auf der Suche nach etwas war. Er betrat das Erdgeschoss des Gebäudes, das Adam einst für sicher gehalten und das sich jedoch als Falle entpuppt hatte.
    »Wer ist es?«, fragte Adam.
    »Custo«, erwiderte Talia. Und er lief geradewegs hinein. Direkt in die Falle.



16
    »Es ist Custo«, wiederholte Talia, während sie in den dichten Schleier aus Schatten starrte, der Abigail umgab. Dann verschwand das Bild.
    »Er wollte mich im Loft treffen.« Adam bemühte sich, seine Gefühle zu kontrollieren, aber man hörte ihm deutlich an, wie aufgewühlt er war.
    Talia blickte sich hektisch nach den überlappenden Schattenwellen um und suchte nach dem Bild von Custo. Sie entspannte ihre Augen, atmete die verführerischen dunklen Rauchfahnen ein, gegen die sie sich ihr Leben lang gewehrt hatte, und ließ sich von ihnen erfüllen.
    Zukunftsvisionen blitzten vor ihr auf und vermehrten sich rapide, bis so viele Varianten erstrahlten wie Sterne an einem klaren Nachthimmel. Sie begriff, dass jede noch so unbedeutende Entscheidung eine weitere nach sich zog, und diese wiederum eine weitere, bis sich aus den Entscheidungen mögliche Konstellationen ergaben, die nichts über ihre Wahrscheinlichkeit aussagten. Es war schwierig, eine Person zu isolieren, nur ein Ereignis oder auch nur ein Segment für sich zu verfolgen. Schließlich entdeckte sie etwas von Custo, seine ehrlichen Augen blitzten auf.
    Aufgeregt und mit pochendem Herzen bemühte sie sich, seinen Aufenthaltsort auszumachen und herauszufinden, was er tat. Aber es blitzten nur einzelne Bewegungen auf und gelegentlich ein etwas verzögertes Abbild seiner Umgebung. Glänzender Stahl. Beton. Die Strahlen der aufgehenden Sonne

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