Zwielichtlande - Kellison, E: Zwielichtlande
wurde von Angst gequält. Er hatte Angst zu leben, Angst zu sterben, Angst vor Menschen. Er wollte ohne diese Angst leben. Seinen Frieden haben.«
Adam war angewidert. Das alles aus Angst. Unglaublich.
Abigail hob eine Braue. »Wissen Sie, wie es ist, wenn man Angst hat? Richtige Angst?«
»Natürlich.« Jeder hat Angst. Aber sich deshalb einem Dämon überlassen? Nein.
Sie kicherte und machte sich über ihn lustig.
»Ich habe Angst gehabt«, beharrte er. »Haben Sie meinen Bruder gesehen? Ich habe in seinen Schlund gestarrt, als er das Leben aus mir heraussaugen wollte. Das war verdammt schrecklich.« Bei der Erinnerung schlug sein Herz schneller, sein Magen krampfte sich zusammen. Ja, er wusste, was Angst war.
Abigail schien unbeeindruckt. »Es gibt Schlimmeres.«
Adam konnte sich unmöglich Schlimmeres vorstellen, aber das Thema war ohnehin irrelevant. Er kehrte zu seiner ursprünglichen Frage zurück: »Kann ich den Wirt töten und somit den Dämon?«
»Ein praktischer kleiner Trick, um mit der Unsterblichkeit des Dämons fertig zu werden?«
»Ja, genau«, sagte er, obwohl ihm der sarkastische Ton, mit dem sie seine Frage wiederholte, nicht gefiel.
»Sie würden den Mann töten, aber nicht den Dämon. Früher oder später – wahrscheinlich eher früher – würde der Dämon sich einfach einen anderen Wirt suchen.«
»Somit wären wir wieder am Anfang: Talia muss schreien, um ihren Vater zu rufen, und dann bringt der Schattenmann die Sache zu Ende.« Adam stand auf. Wenn er hier keine neuen Antworten fand, musste er Talia fortbringen, bevor jemand sie entdeckte.
Abigail zuckte mit den Schultern. »Das ist eine Variante«, murmelte sie. Sie kauerte sich in ihren Stuhl und ließ keine weiteren Erläuterungen folgen.
Adam biss nicht darauf an. Er hatte genug von ihren Spielchen. »Können Sie mir sagen, wo ich den Dämon finde?«
»Wollen Sie dem Kollektiv beitreten?«
Vor Wut verhärteten sich die Muskeln in seinem Nacken. Jetzt hatte er aber genug. Er schluckte die Antwort hinunter, die ihm auf der Zunge lag, und sagte stattdessen: »Nein. Ich muss wissen, wo ich ihn finde, damit ich Talia sicher in Position bringen kann.«
»Ich glaube, Sie unterschätzen sie.«
»Können Sie es mir sagen oder nicht?«
Sie seufzte vollkommen erschöpft. »Ich sehe Wasser. Ich sehe die Styx .«
»Müssen Sie sich wieder unnötig kryptisch ausdrücken?« Sie faselte etwas von griechischer Mythologie, er brauchte eine aktuelle Adresse.
»Ich meine das wörtlich«, schoss sie zurück. »Die Styx ist ein Schiff, einfach ein Schiff mit einem passenden Namen. Wenn Sie eine Fahrkarte für die Styx erwerben, kaufen Sie eine Fahrkarte in die Unterwelt.«
»Sehen Sie noch etwas anderes? Irgendetwas, das Talia oder mir helfen könnte?«
»Nein, das ist alles … « Abigail sprach nicht weiter, ihr Blick glitt an Adams Schulter vorbei.
Er drehte sich um und fand dort Talia umrahmt von dem Sternenvorhang, der den Raum teilte.
»Willkommen«, sagte Abigail hinter ihm. »Ich warte schon sehr lange auf dich.«
t
Talia blickte zu der alten Frau in dem Stuhl. Das Licht auf ihrem Haar ließ einzelne Strähnen silbrig schimmern. Ihre Haut war faltig und hing schlaff herunter. Es war etwas … Seltsames an ihr, jenseits des dunklen Schleiers, der über ihren Augen lag.
Adam fasste Talias Schultern und suchte ihren Blick. »Geht es dir wieder gut?«
»Ich bin … « Talias bereits dürre Stimme brach. Sie räusperte sich vorsichtig, sodass der brennende Schmerz in der Brust nicht wieder aufbrach. Sie versuchte, leise zu flüstern, doch es klang trotzdem rau und holperig. »Es geht mir gut. Amalia, die Ärztin, sagt, ich hätte Glück gehabt. Ich muss mich schonen, mich ausruhen, und nach einer Weile bin ich wieder normal.«
Normal. Nicht annähernd. Die irdische Komponente des Gases würde sich vielleicht langsam verflüchtigen, aber der überirdische Teil klebte in ihrem Hals und in den Lungen wie widerliches Öl. Sie wurde es weder durch Wasser noch durch Husten los.
»Das bestätigt nur meinen Verdacht«, stellte Adam fest. »Wenn sie dich umbringen wollten, hätten sie diverse Gelegenheiten gehabt. Sie wollen dich lebendig. Das Gas sollte uns so lange unschädlich machen, bis sie dich haben. Hast du erfahren, wie lange die Stimme braucht, um sich zu erholen?«
»Ich weiß es nicht … « Talia zuckte mit den Schultern. Das Vibrieren ihrer Stimmbänder schmerzte in ihrem Hals. Das Atmen brannte sowohl in ihrer Nase als
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