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Zwielichtlande

Zwielichtlande

Titel: Zwielichtlande Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: E Kellison
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Balkonen hintereinander reihten. Dann verschwand er in der Dunkelheit. Es war ein Theater.
    »Ich habe etwas dabei, Annabella«, sagte jemand.
    Die Tänzerin antwortete nicht; sie starrte ängstlich zu Custo und wirkte überaus reizend. Die anderen Sterblichen beachteten ihn nicht, als wäre er nicht da, obwohl er sich auf der Bühne befand.
    Er war zurück, wieder auf die Erde gelangt. Aber als was?
    Dann begann er zu brennen. Er bestand nicht aus fester Materie, dennoch brannte er. Sein Körper schrie vor Schmerz, und er rannte los.
    »Nein, warte!«, rief das Mädchen.
    Er hätte gern geantwortet, aber er ertrug die Hitze nicht. Jeder Nerv in ihm bebte und knisterte. Er glitt durch die Lagen aus Vorhängen an der Seite der Bühne und bemerkte, dass sich der Staub aus den Ecken erhob, um ihn zu jagen. Schmutz und Feuchtigkeit verbanden sich zu einem furiosen Schwarm, der ihn verfolgte. Jedes lose Staubkorn und jeder Tropfen sammelte sich um ihn.
    Er rannte, obwohl er keine Füße besaß, mit denen er den Boden berührte.
    Er raste einen gewundenen Gang hinunter und floh durch einen Ausgang, in dem sich Raucher aneinanderdrängten, in die Nacht. Auf dem Bürgersteig senkte sich die Wolke aus Staub und Feuchtigkeit auf ihn herab. Der Tornado drückte ihn auf den Boden, umfing ihn und … formte ihn.
    Er spürte, wie sich seine Atome neu ordneten. Wie die Moleküle erst zersprangen und sich dann zu frischen Zellen zusammensetzten, aus denen sich Organe, Haut und Knochen bildeten. Als seine Sehnen rissen und sich neu spannten, zuckte er erschrocken zusammen. Dann merkte er, wie sich die Flüssigkeit in seinem Körper zu Blut verdickte und – angetrieben von seinem Herzschlag – zum ersten Mal durch seine neuen Venen strömte. Mit dem ersten Atemzug schrie er sein Leid heraus und wand sich auf dem Pflaster. Dann weinte er, erstickt und heiser.
    »Holen Sie die Polizei«, rief jemand.
    Custo wischte sich die triefende Nase und die Augen, dann krabbelte er zurück zu dem Gebäude. Als er sich das Hinterteil auf dem Asphalt aufriss, registrierte er, dass er nackt war.
    »Bleiben Sie ganz ruhig«, sagte ein Mann und streckte beschwichtigend die Arme aus. Ein jugendlicher Typ mit Jogginghosen und Sportschuhen. »Es ist Hilfe unterwegs.«
    Hilfe? Er musste verrückt sein.
    Eine andere Stimme hallte von den Mauern des Gebäudes wider. Mehr Menschen tauchten auf.
    Custo keuchte, schaffte es jedoch aufzustehen. Seine Knie gaben nach, aber er stützte sich an einem rostigen Geländer ab und hielt sich aufrecht. Ein heftiges Zittern überlief ihn. Verdammt, war das kalt. So verdammt kalt.
    »Halten Sie Abstand«, sagte der Mann und wich selbst ein paar Schritte zurück.
    Custo blickte sich um. Wo zum Teufel befand er sich? Um ihn herum ragten hohe Gebäude auf, die meisten von ihnen waren grau, aber eines hatte eine glänzende verspiegelte Fassade.
    Er drehte sich um, trat taumelnd in ein Loch und suchte an dem Gebäude Halt. Als er das Gleichgewicht wiedergefunden hatte, beschleunigte er seinen Schritt, und tauchte beim Ertönen einer Polizeisirene in eine Gasse ein. Zitternd vor Schreck und mit einem seltsamen Schwindelgefühl wartete er dort.
    Custo hob die Hand und dehnte die Finger, so dass er die Handfläche sehen konnte, dann drehte er sie um. Anscheinend war es seine eigene, nur ohne die Narbe über den Knöcheln. Er schloss die Finger zu einer Faust und drückte sie, bis die Hand brannte. Er hatte wieder Kraft. Er war mit Sicherheit kein Gespenst. Ein Engel? Keine Ahnung. Vielleicht hätte er Luca mehr Fragen stellen sollen, als er noch die Gelegenheit dazu hatte.
    Er versuchte den Trick der Engel und öffnete seinen Geist. Die Menschheit krachte in sein Bewusstsein, Seele für Seele, ihre inneren Stimmen machten jedes Denken unmöglich. Das war zu viel, viel zu viel. Er versuchte, sich von ihnen zu befreien, konnte sich selbst in dem Durcheinander aber nicht finden. Er holte tief Luft und suchte nach ihr. Er griff nach ihr wie nach einer lebensrettenden Leine und spürte ein wonniges Ziehen. Mit dem Wissen, dass das Mädchen dort drinnen in Sicherheit war, kehrte sein Verstand zurück. Er drang in ihre Gedanken ein – sie wollte sich auf den Nachhauseweg machen und rechnete unterwegs mit einem tätlichen Angriff.
    Sein neues Herz zog sich zusammen. Wovor hatte sie Angst?
    Vor dem Wolf. Das musste es sein.
    Custo erinnerte sich an den Angriff des Tieres. Den Zusammenstoß. Den Sturz. Schreckliche Schuldgefühle

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