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Zwielichtlande

Zwielichtlande

Titel: Zwielichtlande Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: E Kellison
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»Entschuldigen Sie, ich hätte gern mein Telefon zurück.«
    Custo reichte es ihr mit einem schwachen Lächeln, als amüsiere er sich über ihren Ärger. »Gehen Sie sofort ran, wenn es klingelt.«
    Sie ließ sich nicht von ihm herumkommandieren und legte den Finger auf den Einschaltknopf. Aus. Keine Anrufe mehr für diesen verrückten Taxischnorrer.
    Sie bogen von der Hauptstraße ab und fuhren eine kleinere Seitenstraße hinunter, an der diverse Wagen über Nacht parkten. Bald würden sie da sein.
    Sie hatte einige Fragen, und ihr blieben nur noch wenige Minuten, um an Antworten zu gelangen. »Dieser Wolf verfolgt mich ständig. Ich habe nicht geschlafen. Ich bin so von Koffein aufgepuscht, dass ich vermutlich nie mehr schlafen kann. Und dabei muss ich morgen Abend mein Bestes geben. Mein Bestes . Können Sie mir bitte erklären, was hier vor sich geht?«
    »Um sicherzugehen, muss ich erst die ganze Geschichte hören.« Ein Beben durchlief ihn, und als er sich zusammenriss, zuckte ein Muskel in seinem Kiefer.
    Vielleicht war er auf Drogen. »Ich habe Ihnen die ganze Geschichte erzählt.«
    »Wann es angefangen hat. Wie der Wolf Sie gefunden hat.«
    Annabella rang verzweifelt die Hände. »Ich weiß nicht, wann … « Nein, Moment. Sie wusste es. »Bei der Probe. Gestern Abend, als wir den zweiten Akt zusammengesetzt haben. Wir haben die Partien einzeln geprobt, Stück für Stück, Abend für Abend. Es war das erste Mal, dass das gesamte Ensemble anwesend war.«
    »Wie ist es passiert?« Vorbeikommende Scheinwerfer glitten über ihn hinweg und betonten die goldenen Flecken in seiner grünen Iris. So hübsch, zu schade, dass er eine Schraube locker hatte und unverschämt war.
    »Ich habe eines meiner Soli getanzt – gerade hatte ich das Gefühl, es genau zu treffen. Es fühlte sich jedenfalls sehr gut an. Ich sah hoch und erblickte den Wolf. Ich habe gehört, wie er mich angeknurrt hat. Keine Ahnung, wie er dorthin gekommen ist oder warum er dort war. Ich dachte, ich wäre einfach supermüde und gestresst. Gibt es ihn wirklich?«
    »Eindeutig«, entgegnete Custo. »Sehen Sie ihn nur, wenn Sie tanzen?«
    »Nein. Gestern Abend ist er mir zur Bushaltestelle gefolgt.«
    Er runzelte die Stirn. »Waren Sie allein?«
    »Ja.«
    »Wie sind Sie ihm entkommen?« Er bombardierte sie mit Fragen. Wann wollte er anfangen, ein paar von ihren zu beantworten?
    »Er hat Angst vor Licht«, erklärte sie und hob ihre provisorische Waffe. »Er bleibt im Schatten.«
    »Verdammt«, fluchte Custo.
    »Sagen Sie mir nun, was hier vor sich geht oder nicht?«
    Er hielt die Luft an und stieß dann seine ganze Verzweiflung heraus. »Der Wolf ist ein Wesen aus den Zwielichtlanden, da bin ich mir sicher.«
    »Ein Wesen von wo … ?«
    Custo blickte hinunter auf seine Hände, ballte sie auf seltsame Art zu Fäusten und dehnte sie wieder, als hätte er sie noch nie zuvor gesehen. »Er ist eine Gestalt aus dem Schattenreich, in den Schatten gefangen, aber er ist heute Abend mit mir in diese Welt gelangt, verstehen Sie?«
    Okay, der Mann war geistesgestört, und sie drehte mit ihm durch. Von wo herübergekommen?
    Der Fahrer blickte in den Rückspiegel. »Haben Sie eine Adresse?«
    Custo blickte aus dem Fenster. »Hier ist es gut.«
    Der Wagen hielt am Straßenrand, und Custo öffnete seine Tür. Panik ergriff Annabella. Was nun? Sie konnte nicht mit dem Fremden aussteigen. Er konnte ein Psychopath oder ein Mörder sein oder, oder …
    Custo stieg aus, drehte sich um und griff ihre Tasche. Er ließ sie auf den Bürgersteig fallen, streckte die Hand nach ihr aus und machte eine entschiedene Geste. »Kommen Sie.«
    So hatte sich das ihre Mutter nicht vorgestellt, als sie ihr angeboten hatte, das Taxi zu bezahlen. Annabella schreckte zurück, obwohl sich ihr Körper über die Aussicht durchaus freute. Der Mann war zwar verrückt, aber trotzdem verdammt attraktiv. »Ich kenne Sie doch überhaupt nicht.«
    Er beugte sich hinunter, um ihr in die Augen zu sehen. »Sie wissen, dass Sie bei mir sicher sind.«
    Vor Wölfen vielleicht.
    »Annabella?«
    Ach, wie albern. Aber sie glitt über den Sitz, zog die schwere Taschenlampe hinter sich her, griff seine Hand – sie fühlte sich warm und kräftig an – und stieg aus dem Taxi. Er zog ein Geldbündel aus seiner Tasche und reichte dem Fahrer eine Zwanzig-Dollar-Note.
    Als das Taxi abfuhr, hatte Annabella das merkwürdige Gefühl, dass mit ihm jegliche Normalität aus ihrem Leben verschwand. Was zum Teufel tat

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