Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Zwielichtlande

Zwielichtlande

Titel: Zwielichtlande Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: E Kellison
Vom Netzwerk:
überkamen ihn. Er war dafür verantwortlich, dass das Biest in die Welt der Sterblichen gelangt war. Sie hatte den Weg frei gemacht, aber er hatte den Wolf hinüberbefördert.
    Nun, der Wolf durfte sie nicht bekommen. Bald würde ganz Segue nach ihm suchen und das Mädchen nicht mehr belästigt werden. Er musste sich nur beeilen.
    Custo wartete hinter einem Müllcontainer, bis ein armer Herumtreiber vorbeikam. Er packte ihn, nahm ihn in den Schwitzkasten, hielt ihm den Mund zu und zerrte ihn in eine Gasse. Der Mann wehrte sich, war aber zu klein und zu leicht, um ihm etwas anhaben zu können.
    »Ich will nur deine Hose«, knurrte Custo dem Mann ins Ohr. Drei Minuten später schwankte Custo voll bekleidet aus der Gasse. Er lief zur nächsten Ecke. Auf den Straßenschildern stand W FIFTY - SIXTH und AVE OF THE AMERICAS . New York City. Stadtmitte.
    Dann wusste er, wohin er gehen musste. Das Segue Institut verfügte überall über sichere Gebäude. In New York City kannte Custo vier. Vier plus eins, letzteres ein sicherer Ort, von dem nur er und Adam wussten. Sobald er dort eintraf, hatte er Zugang zu allem, was er brauchte, zu Bargeld, Essen und Waffen. Am wichtigsten war, dass er Adam suchen und warnen konnte.
    Aber nicht ohne das Mädchen.

3
    Als Annabella durch die schwere Bronzetür des City Centers auf die 56. Straße West hinaustrat, griff sie ihre brandneue Riesentaschenlampe. Die schwere Lampe war fürs Campen gedacht, aber sie würde sich auf gar keinen Fall ohne eigene Lichtquelle in die Dunkelheit wagen. Nicht, solange dieser gruselige Wolf frei herumlief – auf der Straße oder in ihrem Kopf. Sie legte den Finger auf den Einschaltknopf wie auf den Abzug einer Pistole. Wenn sie diese alberne Kleine-Mädchen-Angst überfiel, stellte sie einfach das Licht an, und das Monster löste sich in Rauch auf.
    Nimm das, du knurrendes Miststück!
    Ihr Herzschlag beschleunigte sich, als sie in die vor Energie knisternde Nacht trat. Der Verkehr rauschte durch die Einbahnstraße, ab und an ertönte ein Hupen. Sie schritt direkt auf den Rand des Bürgersteigs zu, um ein Taxi heranzuwinken. Ihr Plan lautete: immer ihre eigene Lampe dabei zu haben, sicher nach Hause zu kommen, vorzugsweise mit einem leckeren Imbiss (sie starb vor Hunger), alle drei Lampen in ihrer Wohnung einzuschalten und an der hellsten Stelle zu schlafen. Sie würde nicht zulassen, dass irgendein realer oder eingebildeter Wolf sie um diese Chance brachte. Morgen würde sie ihr Debüt als Giselle geben.
    Und anschließend würde wieder Normalität einkehren.
    Vor ihr hielt ein Taxi. So weit, so gut. Sie warf ihre Tasche auf den Rücksitz, glitt mit der Taschenlampe auf dem Schoß hinein und würgte einen Augenblick, als sie den Geruch von Räucherstäbchen einatmete.
    Als der Fahrer gerade losfuhr, öffnete sich die gegenüberliegende Tür des Wagens und trieb eine intensive Abgaswolke herein. Das Taxi hielt mit einem Ruck an, und Annabella richtete erschrocken den breiten Lichtstrahl auf den Eindringling. »Das Taxi ist besetzt«, erklärte sie, als sie bemerkte, dass es sich um einen Mann handelte – oder zumindest die untere Hälfte eines Mannes.
    Der Typ schob ihre Tasche auf den Boden, stieg trotzdem ein und schlug die Tür zu. »36. West und Fünfte.«, sagte er mit tiefer Stimme in autoritärem Tonfall.
    Idiot. »He, ich war zuerst hier!«
    Der Mann drehte den Kopf, und sie schluckte die restlichen Worte hinunter.
    Er .
    In dem schwachen Licht des Taxis verschwammen seine Haare und seine Haut zu goldenen Schatten. Seine Augen wirkten aufrichtig, offen und angespannt, er war etwas außer Atem. Ein kaum verhohlener Ausdruck von Sorge zeichnete sich auf seinem Gesicht ab, als er sie ansah. Oder besser, als er sie von oben bis unten musterte. Sein Blick blieb an ihrer Taschenlampe hängen. Nachdenklich zog er die Brauen zusammen und schob einen Mundwinkel hoch.
    Hitze durchströmte ihren Körper und brannte in ihrem Gesicht.
    »Die Dame?«, fragte der Taxifahrer über die Schulter nach hinten.
    Auf keinen Fall. Sie war zuerst hier gewesen. Und außerdem musste sie direkt nach Hause, etwas Schönes essen und sich entspannen, damit sie für die morgige Gala ausgeruht war. Ganz abgesehen davon, dass mit diesem Kerl irgendetwas nicht stimmte. Sein Gesicht mochte vielleicht überaus attraktiv sein, aber seine Kleidung war zu eng. Sie gehörte eindeutig nicht ihm. Er hatte zwar die Ärmel aufgerollt, aber das Hemd passte dennoch nicht über seine breiten

Weitere Kostenlose Bücher