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Zwielichtlande

Zwielichtlande

Titel: Zwielichtlande Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: E Kellison
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schlimmer als die Zellen, die sie im Fernsehen gesehen hatte – ein schrecklicher kalter grauer Keller, in dem nur ein beschissener Klapptisch mit zwei beschissenen Klappstühlen stand. Zumindest war der Raum einigermaßen beleuchtet. Wenn sie in der Nähe der Tür blieb, sollte sie sicher sein. Die dämmerige Ecke auf der anderen Seite kam nicht infrage. An solchen Orten hielt sich der Wolf gern auf. Sie wollte ihre Taschenlampe, damit sie ihn verbrennen konnte.
    Sie schlug mit der flachen Hand auf den Tisch, um etwas Krach zu erzeugen. In dem Betonraum klang der Schlag wie ein Schuss.
    »Hallo! Verdammt! Ich bin total müde!« Ihre Stimme hörte sich rau und schrill an. Sie hatte unfassbare Angst und zuckte bei jeder Kleinigkeit zusammen. Wenn sie von diesem ganzen Mist mit Custo krank wurde, würde sie ihn umbringen. Und diesen Idioten Adam gleich mit. Sie hätte sich nie darauf einlassen dürfen, mit Custo ein Taxi zu teilen. »Ich will einen Anwalt sprechen!«
    Annabella zog einen Stuhl an die helle Seite des Tisches. Das verdammte Ding krachte zusammen, und es bedeutete einen ziemlichen Kampf, ihn erneut auseinanderzuklappen. Als sie ihn endlich wieder geöffnet hatte, stellte sie ihn auf den Boden und setzte sich vorsichtig darauf.
    »Ich. Muss. Mich. Entspannen«, sagte sie laut. Offenbar hörte sie niemand. »Ich muss mich entspannen. Ich muss Ruhe bewahren. Ich trete in« – sie rechnete die Stunden aus, bis sie auf der Bühne stehen musste – »rund zwanzig Stunden auf. Ich muss mich zusammenreißen. Tief ein- und ausatmen.« Sie sog die Luft ein, bis ihre Lungen beinahe platzten und ließ den Atem langsam entweichen. Und noch einmal. Viel besser.
    Sie blickte über ihre Schulter zu dem Schlitz in der Betonwand. Verdammt. »Holt mich hier raus!« Ihr Kreischen war durchdringend, ein Ton, bei dem Glas zersprang, aber dem Beton konnte er nichts anhaben. Sie musste sich mehr anstrengen.
    Das durfte doch nicht wahr sein. Sie sah sich noch einmal um.
    »Vielleicht bin ich vollkommen verrückt geworden.« Das klang deutlich plausibler als jede andere Erklärung. »Das ist es. Ich bin verrückt. Das ist keine Gefängniszelle; das ist eine Gummizelle in einem sehr einfachen Krankenhaus. Ich bin nicht von einem Wolf verfolgt worden – darin manifestieren sich lediglich meine Ängste und mein Stress. Und dieser Custo ist … « D ie Verkörperung meiner heißesten Träume. Na, bitte. Verrückt.
    Beton kratzte laut über Beton. Annabella stand auf und warf dabei den Stuhl um. Die riesige, dicke Tür schwang auf. Erneut stieg Wut in ihr hoch. Wer auch immer dafür verantwortlich war, dass man sie unrechtmäßig eingesperrt hatte, konnte etwas erleben. Sie würde Anzeige bei der Polizei erstatten. Und ihn verklagen, weil er versucht hatte, ihre Vorstellung zu ruinieren.
    »Ich erwarte einige Erkl…«, hob Annabella an und verstummte abrupt, als die Tür so weit aufstand, dass der Gefängniswärter dahinter zum Vorschein kam.
    Es handelte sich um eine kleine, hochschwangere Frau. Wenn Annabella müde war, wirkte die Frau, als würde sie gleich ohnmächtig werden. Sie war leichenblass und hatte dunkle Ringe unter den Augen. Beides wurde noch durch ihre weißblonden Haare betont, die sie zu einem schlichten Pferdeschwanz zusammengebunden hatte.
    Annabella unterdrückte ihre Entrüstung und behielt die Beschimpfungen, die ihr auf der Zunge lagen, für sich. Ganz zu schweigen davon, dass sie sterbenshungrig war. Sie hatte heute vier Stunden getanzt.
    Die Frau lächelte sie zaghaft an.
    »Oh, verdammt«, sagte Annabella unwirsch. »Ich hole Ihnen einen Stuhl.« Sie drehte sich um, doch das verdammte Ding war wieder in sich zusammengefallen.
    Die Frau lachte und watschelte herein. »Sehr freundlich.«
    »Nun, Sie sehen aus, als würde es gleich losgehen«, grummelte Annabella und klappte den Stuhl wieder auseinander. »Hier.«
    »Noch zwei Monate. Zwillinge.« Die Frau stützte sich auf dem Tisch ab und setzte sich. Mit einem weiteren Kratzen fiel die Metalltür ins Schloss.
    »Oh … « Annabella blickte zur Tür. Erneut kroch Wut in ihr hoch.
    Die Frau drückte ihre Hand. »Machen Sie sich keine Sorgen. Ich bin Talia, Adams Frau. Wir sitzen hier nicht lange fest. Adam ist gerade bei Custo, aber er sieht andauernd nach mir.« Sie seufzte schwer. »Andauernd«, betonte sie und verdrehte die Augen.
    Annabella kämpfte mit dem zweiten Stuhl. »Wo sind wir hier? Und warum zum Teufel hält man mich als Geisel

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