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Zwielichtlande

Zwielichtlande

Titel: Zwielichtlande Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: E Kellison
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Custo etwas Raum, um durchzuatmen und sich zu fassen.
    »Welches?«, fragte der Taxifahrer finster.
    Auf ihrer Kreditkarte befanden sich noch 300 Dollar. Auf ihrem Bankkonto die Hälfte davon. »Etwas Günstiges, aber in der Nähe.«
    Aus dem Augenwinkel sah sie, wie Custo sich nach vorn beugte. »Vergessen Sie das. 13. Straße Ost und Broadway.«
    »Wohin fahren wir?«, wagte Annabella zu fragen und setzte sich zurück.
    »Nirgendwohin«, antwortete Custo. »Tut mir leid mit dem Empfang.« Seine Stimme klang milde, aber er mied ihren Blick.
    »Ich wollte sowieso nicht hingehen.« Es war nicht der richtige Moment, um wegen der Länge ihres Aufenthalts zu sticheln. Sie musste ihn zurück in die Gegenwart holen, damit er auf den Kampf mit einem Wesen aus den Schatten vorbereitet war. Wenn der Wolf auf einen schwachen Moment wartete, dann hatte er ihn jetzt gefunden. Annabella blickte sich nervös um.
    Custo schüttelte den Kopf. »Du hättest dort sein sollen.«
    »Nun, ich gebe mich gern rätselhaft. Ich glaube nicht, dass mein Ruf dadurch leidet; die anderen Tänzerinnen halten mich sowieso für eine Diva.«
    Ironisch blickte er sie von der Seite an. »Diva?«
    »Ich gehe sehr in meinem Beruf auf. Vielleicht zu sehr.«
    »Das habe ich gemerkt«, sagte er. »Etwas mehr Ausgleich könnte nicht schaden.«
    Für den Augenblick ließ Annabella zu, dass er das Thema wechselte. »Dann funktioniert es nicht.«
    »Das kann ich mir vorstellen«, entgegnete er, dann schwieg er wieder.
    Sie kaute auf ihrer Lippe und fragte sich, wie sie ihm helfen konnte. Die vorüberhuschenden Straßenlaternen entwickelten ein stroboskopartiges Licht und blendeten sie. »Ich will mich ja nicht einmischen, aber … « Sie holte tief Luft. »Ich habe den Eindruck, dass du ein paar Familiengeschichten regeln solltest.«
    Custo wirkte gequält. »Lass das. Ich bekomme ihn nicht aus meinem Kopf. Mehr kann ich nicht aushalten.«
    Annabella dachte nach. Nein, es war zu wichtig. Das wusste sie aus eigener Erfahrung. »Es ist nur … Er ist dein Vater . Meiner hat uns vor sehr langer Zeit verlassen, aber ich würde alles darum geben, mich mit ihm auf einen Kaffee zu treffen. Ich träume davon, seit ich klein war.«
    Abwehrend schüttelte er den Kopf. »Während meiner Jugend habe ich ziemlich viel Zeit damit vergeudet, mir eine glückliche Zukunft mit meinem Vater auszumalen. Ein Leben, wie Adam es mit seiner Familie hatte.«
    »Sieht aus, als bekämst du noch eine Chance.«
    »Ich will sie nicht.« Seine Stimme klang rau. »Und ich will auch nicht, dass er sich in dein Leben einmischt.«
    Sie zuckte mit den Schultern. »Ich kenne ihn überhaupt nicht.«
    Custo beugte sich zu ihr. »Er wird alles über dich herausfinden. Er wird dem Ensemble mehr Geld geben und seinen gesamten Einfluss geltend machen, um an deinem Leben teilzuhaben. Er wird versuchen, mit dir zu sprechen, um an mich heranzukommen.« Custo schluckte heftig. »Versprich mir, dass du nichts mit ihm zu tun haben wirst.«
    »Wieso sollte ich?« Obwohl sie dem Ensemble schlecht sagen konnte, sie sollten das Geld zurückgeben.
    »Versprich mir, dass du auflegst, wenn er dich morgen anruft.«
    Custo versuchte, sie vor dem Schattenwolf zu retten. Ihre Einstellung war klar. »Gut. Wenn er versucht, mit mir in Kontakt zu treten, lege ich auf.«
    Es war zu schade um die Beziehung zu seinem Vater. Nicht jeder hatte das Glück, eine Chance zur Versöhnung zu erhalten – und er warf sie einfach weg. Sie würde alles geben, wenn sie nur fünf Minuten bekam, um ihr Verhältnis zu ihrem Vater zu verstehen. Nur verdammte fünf Minuten, aber …
    »Das wird er«, behauptete Custo. »Er konnte an nichts anderes denken, als er dich gesehen hat.«
    »Ich bin ziemlich sicher, dass er an dich gedacht hat.«
    Custo presste die Handballen auf die Augen. »Nein. Er denkt darüber nach, wie er über dich an mich herankommt. Endlich kann er seine Verbindungen nutzen. Ich bekomme ihn nicht aus meinem Kopf. Mein ganzes Leben ist er nicht da, und jetzt gräbt er sich in meinen Kopf. Er hat bereits eine Liste von Leuten erstellt, die er morgen früh anrufen wird. Er will gleich mit deinem Direktor, Herrn Venroy, sprechen.«
    Ein Schauder überlief Annabellas Körper. Custo sagte dauernd solche Sachen. Sie hatte bislang nicht wirklich darüber nachgedacht, aber jetzt … »Was meinst du damit? Er geht nicht aus deinem Kopf?«
    »Ich meine, dass ich meinen alten Herrn in meinem Kopf höre.« Er packte seinen Schädel.

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