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Zwielichtlande

Zwielichtlande

Titel: Zwielichtlande Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: E Kellison
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Schusslöcher. Dort ging sie nicht hinein. »Ich glaube, ich nehme die Treppe.«
    Custo stieg ein. »Dreißig Treppen?«
    Ein Muskel in Annabellas Nacken, der seit der Vorstellung gestern Abend muckte, entschloss sich genau in diesem Augenblick zu zwicken. Ihre Füße würden bei jedem Schritt protestieren, selbst wenn sie die hohen Schuhe auszog.
    »Wir bleiben nicht hier. Ich muss nur schnell dort oben vorbei«, erklärte er. Seine raue Stimme trug nicht gerade zu ihrer Beruhigung bei. »Wenn ich könnte, würde ich dich hier unten lassen.«
    Aber sie durfte nicht allein bleiben. Nur Custo konnte den Wolf in Schach halten, und der fuhr nach oben.
    »Okay.« Sie hielt die Luft an und trat in den metallenen Kasten. Ihr blieb keine Wahl.
    Während der Fahrstuhl nach oben fuhr, rutschte ihr Magen in die Kniekehlen. Als sie oben ankamen und die Türen sich zu einem riesigen Raum hin öffneten, brannten ihre Lungen. Sie taumelte nach draußen und atmete kalte abgestandene Luft ein.
    Custo legte eine Hand auf ihre Schulter und stützte sie. »Vielleicht war das keine gute Idee. Ich habe nicht daran gedacht. Wir können wieder gehen.«
    So schnell würde sie nicht erneut in diesen Aufzug steigen. »Nein. Mach nur, was du zu erledigen hast.«
    Nachdem sie sich umgesehen hatte, wusste sie immer noch nicht, wieso sie hergekommen waren. Der Raum war leer, gruselig. Es gab keine Fenster. Der Holzfußboden mochte einmal schön gewesen sein. Zu ihrer Linken schien sich eine makellose Küche zu befinden. Eine von diesen modernen Loftwohnungen. Groß, elegant und Millionen wert. Es fehlten nur das natürliche Licht und der Ausblick.
    »Wo sind wir?«, fragte sie.
    »In Adams Loft. Sieht aus, als wäre er eine Weile nicht hier gewesen.« Custo blickte sich um. »Vor ein paar Jahren war es ziemlich hübsch. Offenbar hat er die Fenster abdecken lassen.«
    Es gab also welche. Ohne Fenster war es hier zu ruhig, beängstigend. Es gab deutlich zu viele Schatten. Hoffentlich war es das wert. »Wieso sind wir hier?«
    Custo trat in die Mitte des Raumes. Er räusperte sich und sagte mit erstickter Stimme. »Keine Ahnung. Ich wollte sehen … «
    Annabella spürte seine wachsende Anspannung durch den Raum.
    Custo lockerte die Schultern. »Nachdem ich ihn gesehen hatte … «
    Annabella konnte seine Gedanken nicht lesen. Er musste schon sprechen, damit sie verstand, wovon er zum Teufel redete.
    Mit gehetztem Ausdruck drehte er sich zu ihr um. »Ich musste an den Ort zurückkehren, an dem ich gestorben bin.«

    Wolf rannte durch die dunkle Nacht. Wenn er sich streckte, verschmolz sein Körper mit den schattigen Flächen, bei jedem Absprung tauchte er wieder auf. Die Luft war kalt, aber verheißungsvoll. Er knurrte und trieb den Wind vor sich her zu seinem Opfer.
    Wie menschlich, dass er der Frau seines Begehrens keine Falle stellte, sondern das genaue Gegenteil tat.
    Etwas fing seine Aufmerksamkeit. Da!
    Er schlich heran, blieb stehen und spähte durch die Dunkelheit zu seinem schwachen, ahnungslosen Opfer. In dem Gebäude brannte Licht, aber das konnte ihm nichts anhaben.
    Er hob die Schnauze zum Himmel und jaulte.

16
    Er war teils aus einem Reflex heraus, teils aus krankhafter Neugier in das Loft gegangen. Okay, es war ziemlich viel krankhafte Neugier im Spiel gewesen. Nachdem Custo die Adresse genannt hatte, führte ihn ein heftiges Ziehen zurück an den Ort und zu jenem Augenblick, in dem er sich verloren hatte.
    Die unerwartete Begegnung mit seinem Vater, in deren Folge er dessen Gedanken hören konnte, hatte etwas in ihm ausgelöst. Sein Vater stand am Anfang, und Adams Loft am Ende.
    In den Jahren, in denen die Gefahr durch die Geister sich zu einer weltweiten Bedrohung entwickelt hatte, kamen Custo und Adam hier häufig zu Lagebesprechungen zusammen. Die Wesen konnten nicht sterben; die Forschung war die einzige Möglichkeit gewesen, sie zu bekämpfen. Deshalb die sorgfältige Gründung des Segue Instituts. Die Suche nach Dr. Talia O’Brien, einer Spezialistin für Nahtoderfahrungen. Die Entdeckung ihrer persönlichen Beziehung zum Schattenmann, auch bekannt als der Tod. Der rapide Anstieg der Angriffe durch die Geister, nachdem ihre Existenz allgemein bekannt geworden war. Die Flucht aus dem Hauptsitz in West Virginia. Seine Gefangennahme und …
    »Hier bist du gestorben?« Mit aschfahlem Gesicht tat Annabella einen Schritt in Richtung des durchlöcherten Fahrstuhls, wich jedoch vor den Spuren der Gewalt zurück und schlang unsicher

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