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Zwienacht (German Edition)

Zwienacht (German Edition)

Titel: Zwienacht (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Raimon Weber
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betrat den Raum.
    „Vier!“
    Es störte Billy nicht, wenn andere zusahen. Ganz im Gegenteil. Es erhöhte nur den Kick.
    Billy wartete auf den nächsten Schlag. Plötzlich spürte er Carlos Atem direkt neben seinem Gesicht. „Wir haben einen Gast“, sagte er. „Er ist okay.“
    Wenn Billy in Stimmung war, und heute war er in Hochstimmung, erlaubte er auch einem Fremden die Züchtigung. Allerdings nur, wenn Carlos den Gast zuvor begutachtet hatte und während der ganzen Zeit die Aufsicht führte.
    Billys Position auf dem Bock machte es ihm unmöglich, den Gast zu sehen. Er wusste nicht, ob es ein Stammkunde des Clubs oder ein Fremder war.
    Der Gast begann mit der Züchtigung. Die Peitsche landete mit einem lauten Knall auf dem Latex.
    „Sieben!“, rief Billy. Der Fremde übte sich nicht in Zurückhaltung, aber das konnte Billy nur recht sein, so lange sich der Gast an die Regeln des Kalibrierens hielt.
    „Neun!“ Der Schlag traf die Mitte seines Rückens und presste ihm den Atem aus der Lunge. Er war sich sicher, dass die Haut unter den Lederriemen aufgeplatzt war. Aber noch überwog die Lust. Der Mann hinter ihm gab den ersten Laut von sich. Ein kurzes Schnaufen, ehe er erneut ausholte.
    Billys Rücken schien zu explodieren, ein feuriger Schmerz durchjagte seine Nervenbahnen, ließ ihn japsen und trieb ihm die Tränen in die Augen. Er bäumte sich in seinen Fesseln auf.
    „Zehn!“, presste er hervor und schmeckte sein eigenes Blut. Er hatte sich in die Zunge gebissen. „Zehn!“, brachte er noch mal hervor.
    Der nächste Peitschenhieb – von der derselben Gewalt wie der vorherige – verletzte ein Tabu. Die Neunschwänzige zielte auf die Nierengegend. Billy japste nach Luft. „Zehn! Zehn!!!“ Er glaubte, etwas in seinem Inneren sei zerplatzt. „Carlos! Genug!“
    Im Raum war es bis auf sein Wimmern ganz still. Die Schallisolierung ließ kein Geräusch herein, aber auch keines hinaus. Der Schatten des Mannes hinter ihm tanzte im Kerzenlicht auf der nackten Wand.
    „Carlos?“, fragte Billy und in seiner Stimme schwang jetzt Furcht mit. Carlos hatte nicht eingegriffen.
    „Fall mir nicht aus der Rolle“, hörte er den Mann sagen.
    Billy wurde von Zorn erfasst, er riss erneut an seinen Fesseln und versuchte den Kopf zu verdrehen, um dem Fremden, der sich erdreistete alle Spielregeln zu missachten, ins Gesicht zu sehen.
    „Mach mich los!“, forderte er mit aller Autorität, die sein geschundener Körper zuließ. Er hörte, wie der Mann die Peitsche zu Boden fallen ließ, dann spürte er eine Hand auf seinem Rücken.
    „So geht das nicht“, begehrte er auf. „Carlos, unternimm etwas!“
    „Kein Carlos“, zischte der Fremde und Billy sah wie der Schatten an der Wand den Arm hob. „Du hörst von mir.“
    Die Handkante des Mannes traf ihn direkt hinter dem rechten Ohr. Nur ein letztes Geräusch, das an das Tschilp! eines kleinen Vogels erinnerte, drang aus Billys Kehle, ehe sein Körper erschlaffte.

    Richard saß am Küchentisch und sah seit einer halben Stunde nicht in die aufgeschlagene Tageszeitung, sondern durch sie hindurch. Die Kaffeemaschine gab ein stetiges Schnaufen und Blubbern von sich und erfüllte die Küche mit einem aromatischen Duft.
    In der vergangenen Nacht hatte er überhaupt nicht geschlafen, war nur immer wieder in jenen Dämmerzustand gefallen, der die geordneten Gedanken davonfließen ließ und Platz für bedrückende Fantasien schuf. Nur Sekunden andauernde Sequenzen, in denen Richard glaubte, einen mit feuchtem Laub bedeckten Abhang hinunterzurutschen, während seine Hände vergeblich zwischen den glitschigen Blättern nach Halt suchten. Widerwärtige Fratzen waren erschienen, aufgedunsen und mit weit aufgerissenen Augen, aus denen der Wahnsinn blitzte. Mehr als einmal war Richard aufgeschreckt, um sich dann panisch im Schlafzimmer umzusehen.
    Richard schaute auf die Uhr an der Wand – zehn Minuten vor neun – und vermied es, nach draußen zu blicken. Erst vor einer Viertelstunde war ihm der Himmel ... falsch vorgekommen. Das dunkle Magenta über den Dächern wirkte unwirklich und Richard zweifelte an der Funktion seines Sehnervs.
    Er stand auf, um sich eine Tasse Kaffee einzuschütten, taumelte und musste sich am Tisch abstützen. Sein ganzer Körper zitterte und er verspürte einen starken Brechreiz im Hals. Etwa eine Minute stand er einfach nur da und holte mit geschlossenen Augen tief Luft.
    Das Geräusch der Klingel im Flur ließ ihn zusammenzucken. Auf der Küchenuhr

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