Zwienacht (German Edition)
Bekannter vom wilden Karnevalstreiben in dem Ort erzählt. Sie würden dort tagelang durchsaufen. Das hatte mir gefallen, denn wo Feste mit viel Alkohol gefeiert wurden, lernte man mit Sicherheit willige Frauen kennen.
Wie naiv ich doch gewesen war! Kaum hatte ich in einer Kneipe meine ersten Flirtversuche gestartet, war ich auch schon verprügelt worden. Von einem eifersüchtigem Trottel und seinen trunkenen Kumpanen.
Heute würde ich es der Stadt heimzahlen. Sie würden von mir in der Zeitung lesen. Und es würde ihnen gar nicht gefallen.
Am späten Nachmittag stieg ich in den Zug und hatte bewusst saubere, unauffällige Kleidung gewählt, die Haare gekämmt und einen neutralen Gesichtsausdruck aufgesetzt. In der rechten Hand hielt ich eine Plastiktüte. Darin war alles, was ich für meine Aufgabe benötigte.
Ein Stachel durchstieß den weißen Kunststoff. Behutsam griff ich in die Tüte und ordnete deren Inhalt.
In der großen Stadt angekommen, beglückwünschte ich mich zu meiner Wahl. Der Bahnhof wimmelte nur so von Pendlern, Bettlern und vor allem zwielichtigen Gestalten. Die schlichen herum, bildeten Grüppchen und teilten die Vorübergehenden in zwei Gruppen ein: in jene, denen man was andrehen konnte und jene, denen man etwas wegnehmen konnte.
Es war ausgeschlossen, dass ich in diesem Trubel auffallen würde. Ich durfte nicht mehr allzu lange zögern. Je später es wurde, desto weniger waren unterwegs.
Ich suchte nach den schlecht beleuchteten Seitenstraßen und fand einen kleinen Park. Er maß nur ein paar hundert Meter im Durchmesser. Den Mittelpunkt bildeten ein Klettergerüst, ein paar Schaukeln und ein Sandkasten. Der Park stellte eine Abkürzung auf dem Weg zur Fußgängerzone dar. Eine Abkürzung von der Art, die man nach Einbruch der Dunkelheit besser nicht mehr benutzen sollte.
Mochten hier tagsüber Mütter ihre kleinen Kinder beim Spielen beaufsichtigen, Rentner von den Bänken in die Herbstsonne blinzeln und gelegentlich Männer mit einem Ächzen der Erleichterung in die Büsche uriniert haben, schien das Gras in der Dämmerung grau statt grün und die Schatten hinter dem großen Klettergerüst breiteten sich nach allen Seiten aus wie eine ansteigende Flut.
Ich durchschritt den kleinen Park, umkreiste ihn zweimal und stellte fest, dass es in unmittelbarer Nähe keine Kneipen gab. Nur ein paar kleine Geschäfte und Büros, die bald verwaist sein würden.
Prüfend blickte ich nach allen Seiten und nahm zwischen den Sträuchern Deckung. Es roch nach faulenden Pflanzen, Hundekot und menschlichem Urin, aber das nahm ich in Kauf.
Kurze Zeit später näherte sich das Knirschen vieler Schritte auf dem Weg. Eine Gruppe Jogger lief an mir vorbei, kurz danach folgte ein fröhlich pfeifender Radfahrer. Dann blieb es eine Weile ruhig.
Ich war geduldig und dachte daran, dass eine Zecke jahrelang ohne Nahrung – sprich Blut – auskommen konnte, bis es ihr endlich gelang, sich auf einen Wirtskörper zu stürzen.
Ich streifte die Handschuhe über. Sie waren für die Kälte des Winters gedacht und gefüttert, aber es würde schon gehen. Schließlich war heute Abend nicht filigrane Kunstfertigkeit angesagt.
Eine ältere Frau mit hochtoupierten Haaren ging ohne Eile vorbei. Wenige Meter von meinem Versteck entfernt, zündete sie sich eine Zigarette an und inhalierte tief.
Als sie weiterging, wurde die Frau von einem Hustenanfall geschüttelt. Ich musste angeekelt zuhören, wie sie mehrmals ausspuckte.
Bei ihrem Auftauchen hatte ich hektisch in der Plastiktüte gewühlt, so dass sich der Draht erneut verhedderte. Ich zwang mich zur Ruhe, flüsterte dreimal leise „Freien ist wie Pferdekauf, Freier tu die Augen auf“ und tröstete mich damit, dass es normal sei, bei einer Premiere etwas aufgekratzt zu sein.
Nun war ich aber bereit. Den ein Meter langen Draht hielt ich mit beiden Händen, sorgsam darauf bedacht, nicht in die Stacheln zu greifen. Der Hammer steckte in meinem Gürtel.
Ein junger Bursche kam, die Schirmmütze trug er falsch herum auf dem Kopf.
Genau auf diese Sorte war ich scharf gewesen. Es handelte sich hier um Premiumqualität.
Mit ein paar lautlosen Schritten war ich hinter ihm.
Im allerletzten Moment hatte das Lämmchen etwas bemerkt. Vielleicht das Rascheln der Zweige oder einen Luftzug. Es machte den Versuch sich umzuwenden, doch da legte ich den Draht schon um seinen Hals und Dornen aus Metall bohrten sich in dünne Schichten aus Fleisch.
Ich trat dem Kerl die Beine weg
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