Zwienacht (German Edition)
die Tür fast lautlos nach außen schwang, drang aus dem Inneren ein kalter Hauch, der nach Kloake und etwas Bitterem roch, das Richard nicht identifizieren konnte. Es kostete ihn einige Überwindung, sich der Öffnung zu nähern. Sie reichte ungefähr fünfzig Zentimeter tief in die Wand hinein und war völlig leer. Bis auf eine Plastikflasche ohne Etikett, deren undefinierbarer Inhalt unter dem Verschluss eine grünliche Kruste hinterlassen hatte. Richard hatte sie schon bei seiner ersten Untersuchung der Kammer entdeckt und sie einfach dort liegen lassen. Die Flasche musste von einem der Vormieter stammen.
„Pfui!“, machte Münzberg und stieß die Tür eilig zu.
„In der Küche ist jedenfalls keine Ratte“, stellte Richard fest. „Nehmen wir uns die anderen Räume vor.“
Sie hatten gerade den Flur und das Wohnzimmer nach unerwünschten Eindringlingen untersucht, als es an der Tür schellte.
Richard öffnete die Wohnungstür und sah sich einem wutschnaubenden alten Mann gegenüber, der ihn irritiert musterte. Es war Krüger, der Waffensammler. Er hielt ihm ein zusammengeknülltes Blatt Papier entgegen.
„Sandows aus dem Parterre haben mich reingelassen“, schnaufte er. „Ich wollte zu diesem Fettsack. Wissen Sie, wo der ...?“ Krüger blickte an Richard vorbei in den Flur und entdeckte Münzberg. „Das hätte ich mir ja denken können!“, brüllte der alte Mann und versuchte Richard zur Seite zu drängen. „Ihr zwei Tunten steckt unter einer Decke!“
Richard wurde augenblicklich bewusst, dass er und Münzberg noch immer in den Kimonos steckten. Als er jetzt Krügers, vor Zorn verzerrtes Gesicht, sah, waren seine eigenen Ängste, die ihn bei der Suche nach der Ratte wie ein schmerzendes Geschwür begleitet hatten, vergessen.
„Fette Sau!“, stieß Krüger hervor und versetzte Richard, der noch immer nicht Platz gemacht hatte, einen Boxhieb in den Bauch. Richard keuchte laut, verhedderte sich im Stoff des Kimonos und suchte nach Halt.
Münzberg versuchte den Alten mit seinem Besen auf Distanz zu halten. Er war zu verwirrt von dem plötzlichen Überfall, um auch nur ein Wort von sich geben zu können.
Richard richtete sich wieder auf und wollte Krüger festhalten. Aber der alte Mann schien die Bewegung hinter seinem Rücken bemerkt zu haben. Er schnellte herum und bellte: „Zu dir komme ich auch noch, Tunte!“
Plötzlich loderte in Richard der Zorn auf. Die Anspannung der letzten Tage platzte mit einem Mal aus ihm heraus. „Ich bin keine Tunte! Und Sie haben kein Recht hier in meine Wohnung einzudringen! Ich werde jetzt die Polizei rufen!“
Krüger lachte gekünstelt. „Die Polizei? Nur zu!“ Er brüllte noch einmal und noch lauter: „Nur zu!!!“
Aber Richard sah, dass er den Rentner mit seinem Ausbruch eingeschüchtert oder doch zumindest etwas aus der Spur gebracht hatte. „Was ist hier los?“ Seine Stimme klang bedrohlich.
Jan Münzberg stocherte mit dem Besen noch immer Luftlöcher in Richtung des alten Mannes. Er sah aus wie ein in die Enge getriebener Elefantenbulle.
Krüger hielt Richard das Blatt Papier hin. „Das ist los!“
Richard riss es ihm aus der Hand.
„Der Fettsack hat das geschrieben!“, zeterte der Alte, während Richard den computergeschriebenen Text las. „Der miese Fettsack! Oder ihr zwei zusammen! Um mich fertigzumachen! Jawohl!“
An Krüger, das senile Arschloch!
Du hast meinen Kater gekillt! Dafür werde ich mich rächen. Ich weiß, dass du alter Bock kleine Mädchen befummelst. Vielleicht wirst du denen auch irgendwann den Kopf abschneiden wie meinem Pauli.
Fangen die Psychopathen nicht immer zuerst mit Tierquälerei an? Aber dazu lasse ich es nicht kommen. Ich werde ganz Döbeln von deinen Schweinereien wissen lassen.
Richard schluckte, sah dann zu Münzberg und reichte den Brief an ihn weiter. „Haben Sie diesen Brief geschrieben?“
Richards Nachbar überflog den Text, während ihm Krüger mit vorgestrecktem Kopf dabei zusah. Der Rentner erinnerte an einen Raubvogel auf der Lauer. Bereit, jederzeit zuzustoßen. „Wenn der Dicke den Brief auffrisst, nützt das gar nichts“, keifte er. „Ich habe Kopien gemacht.“
„Das ist nicht von mir“, sagte Münzberg mit bebender Stimme und gab das Papier an Richard zurück. Krüger riss es ihm sofort aus den Händen.
„ Das ist nicht von mir “, äffte der Alte Münzberg nach. „Von wem denn sonst, du Qualle!“
„Hören Sie mit den Beleidigungen auf“, verlangte Richard.
Krüger
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