Zwilling verzweifelt gesucht
nicht neben mir.
Ich nehme mir vor, mit Moppel einen Riesenspaziergang zu machen, wenn ich nach Hause komme. Nur mit Moppel.
Als ich ankomme, trägt mein Vater Jackett. Ich kriege einen Riesenschreck.
„ Ist was passiert? “ , frage ich atemlos.
Soweit ich mich erinnere, trägt Papa immer nur Jackett, wenn etwas Ernsthaftes geschehen ist, wenn er zur Polizei muss, weil uns einer der Nachbarn wegen der Brennnesseln im Garten oder Papas Werkstattlärm angezeigt hat, wenn er mit einem Lehrer reden muss, weil Fabian etwas angestellt hat, oder Ähnliches. Einmal, als ein wichtiger Unternehmer sein Kommen angekündigt hatte, ohne einen Termin zu nennen, wollte Papa tagelang eine Krawatte tragen, hat aber keine gefunden. Mama meint, er hat seine letzte Krawatte längst in eine seiner Erfindungen eingebaut, aber das ist vielleicht nur einer ihrer Witze.
Papa sagt, nein, es ist nichts Schlimmes. Er trägt das Jackett nur vorsichtshalber, falls zur Fernsehsendung überraschend jemand zu uns kommt, ein Reporter oder ein Vertreter der Stadt, der uns ein größeres Haus anbietet, oder ein richtiger Filmregisseur.
Es kommen aber nur Onkel Johannes und Tante Ilva, und das auch hauptsächlich deswegen, weil Onkel Johannes so gern Mamas selbst aufgesetzten Schlehenlikör trinkt. Aber das Telefon klingelt immerhin ununterbrochen, weil alle möglichen Leute uns darüber informieren wollen, dass wir im Fernsehen sind.
Jule und Jana sind so aufgeregt, dass sie sich abwechselnd übergeben, während die Babys gleichzeitig schreien, weil sie überhaupt nicht verstehen, was bei uns los ist.
„ Sie vertragen das Wetter nicht “ , sagt Mama. „ Es gibt Gewitter, das macht sie nervös. “
Aber allen ist klar, dass die Babys aus einem ganz anderen Grund nervös sind.
Ich sehe Moppel an, der wieder einmal vor der Tür sitzt und sehnsüchtig die Klinke anstarrt, und habe eine Idee.
„ Ich gehe zu Frau Rabusch “ , sage ich zu Fabian, der gerade mit einem Keks in der Hand aus der Küche kommt.
Er sieht mich verdutzt an. „ Warum das denn jetzt? “
„ Weil ich rauskriegen muss, wo ihr Sohn ist. “
„ Jetzt? Aber … “
„ Ich kann die Sendung auch bei ihr sehen. “
Fabian zuckt mit den Achseln. „ Wenn die überhaupt einen Fernseher hat. “
Ich nehme Moppel an die Leine und sause die Straße hinunter bis zu Frau Rabuschs Haus. Hoffentlich schickt sie uns nicht weg. Ich habe keine Ahnung, ob sie Überfälle wie diesen hier überhaupt leiden kann.
Frau Rabusch reißt die Tür auf, als habe sie mich erwartet. Vielleicht hat sie oben aus dem Fenster auf unser Haus gesehen und uns schon bemerkt. Jedenfalls springt Moppel begeistert an ihr hoch. Frau Rabusch streichelt ihn, dann sieht sie mich fragend an.
„ Wir sind heute Abend im Fernsehen “ , berichte ich hastig.
„ Aha. “ Frau Rabusch zieht die Augenbrauen hoch. „ Wann denn? “
„ Jetzt gleich – in einer Viertelstunde. “
Sie sieht mich erwartungsvoll an. Ich hole tief Luft.
„ Ich dachte, wenn Sie möchten … dann würde ich hier … ich meine, wenn Sie es überhaupt ansehen wollen … aber vielleicht … “
„ Willst du denn nicht bei deiner Familie sein? “
Ich zucke mit den Schultern. Frau Rabusch wird das doch verstehen. Sie, die mit sechs Wolfsbrüdern groß geworden ist, kennt doch bestimmt auch das Bedürfnis, sich ab und an zu verstecken.
„ Das ist nett von dir. “ Frau Rabusch macht ihre Tür weit auf. „ Komm rein. “
Sie wirft noch einen kurzen, misstrauischen Blick in den schwarzen Himmel, dann dreht sie sich um.
Wer hätte noch vor Kurzem gedacht, dass ich Stammgast in Frau Rabuschs Haus werde?
Frau Rabusch geht mir voraus ins Wohnzimmer. Ich hatte mir immer ein Wohnzimmer mit dunklen, schweren Möbeln vorgestellt, mit Unmengen von Nippes in den Schränken und einem schweren Geruch nach Suppe und Möbelpolitur. Aber Frau Rabuschs Wohnzimmer ist hell und freundlich und es steht so gut wie gar nichts herum. Einen Fernseher hat sie, und was für einen! Ich schnappe nach Luft. Sie besitzt den größten Fernseher, den ich jemals gesehen habe, ein riesiges, schwarz glänzendes Monster wie von einem anderen Stern. Wenn meine Brüder das sehen würden! Sie würden vor Neid umfallen!
Moppel legt versuchsweise die Schnauze aufs Sofapolster.
„ Nein, nicht aufs Sofa. “ Frau Rabusch schüttelt den Kopf. „ Ich hole eine Decke. “
Moppel wirft ihr einen enttäuschten Blick zu. Er hat wohl gehofft, bei ihr das Paradies zu
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