Zwilling verzweifelt gesucht
finden, in dem auch Sofas erlaubt sind. Seufzend trabt er zum Fernseher und beschnuppert ihn misstrauisch.
„ Setz dich “ , sagt Frau Rabusch zu mir. „ Wo du willst. Ich hole uns etwas zu trinken. “
Während sie in der Küche hantiert, frage ich mich, ob sie sich wirklich über unseren Besuch freut. Ich meine, sie lächelt nicht so richtig. Vielleicht hat sie mich aus reiner Höflichkeit hereingebeten? Andererseits – Frau Rabusch kann durchaus auch unhöflich sein. Wenn ihr etwas nicht passt, kann man das deutlich erkennen, das weiß ich aus Erfahrung.
Moppel legt sich ergeben auf die Decke vor den Fernseher und brummt zufrieden vor sich hin. Dann hebt er wieder den Kopf und starrt zum Fenster. In der Ferne grollt Donner.
„ Na, hoffentlich kommt das nicht hierher. “
Frau Rabusch macht es sich auf dem Sofa bequem. Sie greift nach einer Fernbedienung, die bislang wie ein Mini-Raumschiff aus dem 24. Jahrhundert auf dem Glastisch gelauert hat, und schaltet ihren Megabildschirm ein. Es ist wie im Kino.
„ Cool “ , sage ich nur.
Frau Rabusch schaltet hin und her, bis sie den richtigen Sender gefunden hat.
„ Den benutze ich sonst nie “ , erklärt sie. „ Da laufen eigentlich immer nur Sendungen für die ganz Dummen. “ Sie verstummt und beißt sich auf die Unterlippe.
„ Die Fernsehleute waren wirklich doo f “ , beruhige ich sie. „ Sie haben nichts bezahlt, sondern uns nur einen Geschenkkorb mit Süßigkeiten dagelassen. Und die Hunde wollten sie überhaupt nicht im Bild haben, weil die einander nicht ähnlich sehen. “
„ Moppel ist auf jeden Fall der schönere von beiden “ , behauptet Frau Rabusch. Sie streckt die Hand aus und streichelt Moppels Rücken. Ich glaube, sie ist der erste Mensch überhaupt, der Moppel schön findet. Er hat immerhin diesen überlangen Unterkiefer mit den vorstehenden Zähnen.
„ Mich wollten sie auch nicht “ , füge ich noch hinzu.
„ Natürlich nicht. “ Frau Rabusch nickt. „ Du bist kein Zwilling. Für ein einzelnes Mädchen interessiert sich sowieso niemand. “
„ Wo wohnen Ihre Brüder eigentlich? “ , frage ich.
Seit Frau Rabusch von ihren Wolfsbrüdern erzählt hat, wünsche ich mir, sie zu sehen. Es ist doch komisch, dass Frau Rabusch so eine große Familie hat und trotzdem nie Besuch bekommt!
„ Weit weg “ , sagt Frau Rabusch schlicht. „ Achtung, es geht los. “
Aber es läuft immer noch Werbung. Das Donnern draußen schwillt an. Der Wind rauscht in der Birke auf dem Nachbargrundstück, die Frau Rabusch nicht leiden kann, weil sie so viel Dreck macht.
Und dann ist da unser Haus. Es sieht im Fernsehen noch älter und kaputter aus als in Wirklichkeit. Die Kamera nähert sich der Haustür, zoomt das Klingelschild mit unseren Nachnamen heran, alles begleitet von fröhlicher Klaviermusik und einigen Hup- und Tröt-Geräuschen.
Genau in diesem Moment kracht es draußen und gleichzeitig wird der Bildschirm schwarz. Frau Rabusch springt auf.
„ Da hat der Blitz eingeschlagen! “ Sie geht mit schnellen Schritten zum Fenster. „ Nichts zu sehen. “
Ich bleibe sitzen und starre auf den schwarzen Bildschirm.
„ Ist der jetzt kaputt? “
„ Glaube ich nicht. “ Frau Rabusch setzt sich wieder.
Sie dreht sich zu mir um. „ Wenn du möchtest, kannst du nach Hause gehen. Vielleicht funktioniert es da noch. “
Ich zögere einen Moment lang. Einen sehr kurzen Moment.
„ Ich bleibe hier “ , sage ich dann entschlossen. „ Vielleicht kommt das Bild zurück. “
Frau Rabusch sieht mich ratlos an. „ Ja, vielleicht. “
Ich lehne mich im Sessel zurück. Frau Rabusch schenkt mir Apfelsaft ein, den ganz billigen, mit Wasser vermischten, den Mama nie kauft.
Eine Weile schweigen wir beide, lauschen auf das Prasseln des Regens, die dröhnenden Donnerschläge. Wahrscheinlich fragt mich Frau Rabusch gleich, wie es in der Schule läuft, weil das genau die Frage ist, die Erwachsene immer stellen, wenn ihnen nichts anderes einfällt. Aber Frau Rabusch fragt nicht nach der Schule.
„ Wie kommt deine Mutter klar? “ , will sie stattdessen wissen. „ Mit den vielen Kindern. Das macht doch so viel Arbeit. “
Ich zucke mit den Schultern. „ Mein Vater hilft ja auch. “
„ Aber einer muss doch Geld verdienen. “
„ Tun sie ja. Beide. Manchmal. “
Frau Rabusch schüttelt den Kopf.
„ Meine Eltern mussten beide arbeiten gehen “ , erklärt sie. „ Und ich musste mich um die Jungs kümmern. “
„ Um alle sechs? “
„
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