Zwilling verzweifelt gesucht
die sich gerade wiedergefunden haben … im Fernsehen wären wir damit nicht durchgekommen. Müssten wir nicht beide weinen und schluchzen oder so etwas? Mir ist gar nicht nach Weinen zumute. Vielleicht liegt es daran, dass ich mir unsicher bin.
Ist Mara denn wirklich meine Schwester? Aber wenn sie nicht so aussieht wie ich, warum um alles in der Welt sollte sie mich anrufen? Und sprechen ihre Vorliebe für Eis und ihre Abneigung gegen rosa Rüschen nicht Bände? Sie klingt außerdem überhaupt nicht so wie eine, der es Spaß macht, andere Leute an der Nase herumzuführen. Vielleicht bin ich mir auch nur unsicher, weil ich selbst nicht mehr weiß, was ich mir wünsche.
Ich versuche noch ein bisschen zu lesen, aber die Buchstaben verschwimmen vor meinen Augen.
Pünktlich nach einer Stunde stehe ich wieder vor Frau Rabuschs Haustür. Diesmal gibt es weder Mortadella noch Schokolade, nur einen freundlichen Händedruck von Frau Rabusch.
„ Und, wie war’s? “ , frage ich den Hund, als wir wieder auf un ser Haus zusteuern.
Mir ist klar, dass Moppel nicht antworten kann, aber es ärgert mich, dass er mich noch nicht einmal beachtet. Er zieht in Richtung Straße, weil auf der anderen Seite eine Frau einen riesigen Schäferhund vorbeiführt. Der Schäferhund könnte Moppel innerhalb von zwei Minuten in seine Einzelteile zerlegen, aber das scheint Moppel nicht zu kümmern. Wenn Mops nicht dabei ist, scheint Moppels Selbstbewusstsein ins Unendliche zu wachsen. Wenn ich richtig darüber nachdenke, geht Moppel neben dem quirligen Mops leicht unter, wird übersehen, zu wenig gestreichelt … vielleicht hat er sich deswegen mit Frau Rabusch angefreundet.
Ich nehme mir vor, Moppel in Zukunft ein paar Sonder-Streicheleinheiten zukommen zu lassen. Pech für Frau Rabusch, wenn er sich dann nicht mehr für sie interessiert. Hm, sie hat so ein Gesicht gemacht, als könnte sie auch einige Sonder-Streicheleinheiten gebrauchen … Vielleicht sollten wir sie wirklich mal zum Kaffee einladen?
Na, das ist jetzt wirklich eine blöde Idee! Frau Rabusch betritt unser ungepflegtes Grundstück nur in Notfällen, weil sie die vielen Brennnesseln nicht leiden kann, das ganze andere Unkraut, die Roller und Kindergießkannen und all das. Wenn sie unsere Küche betreten würde, bekäme sie womöglich einen tödlichen Ekelanfall. Unsere Küche ist gar nicht so besonders eklig, aber es kann schon sein, dass der Herd noch nicht geputzt ist, irgendwo ein schmutziger Teller herumsteht und der Müll überquillt, weil keiner von uns Lust hat, die Mülltüte rauszuschleppen. Außerdem riecht es bei uns nach Windeln, Hunden, Essen und rosaroten Erdbeerkaugummis (die einzige Vorliebe, die Finn und Fabian, Jule und Jana und ich uns teilen). Kurz, ich glaube kaum, dass Frau Rabusch auch nur einen kleinen Happs Kuchen über die Lippen kriegen würde. Das ist schade für sie, denn Mama kann gut backen. Sie tut es bloß viel zu selten.
Ich könnte ihr ja mal ein Stück Kuchen vorbeibringen. Aber dann muss sie das Stück Kuchen wieder alleine essen. Dann wird sie vielleicht süchtig nach Mamas Kuchen und sieht unsere ganze Unordnung vor lauter Gier gar nicht mehr.
Was geht mich überhaupt Frau Rabusch an? Wieso denke ich über eine knurrige Nachbarin nach, anstatt mich über meine wiedergefundene Schwester zu freuen?
Ich mag noch nicht einmal Alisia anrufen. Sehr verdächtig. Genau genommen müsste sie mich morgen ins Einkaufszentrum begleiten. Schließlich ist sie in dieser Sache meine Geschäftspartnerin oder so etwas Ähnliches. Zumindest meine Privatdetektivin.
Aber ich rufe sie nicht an. Ich grabe meine angefressene Schokoladentafel aus und breche ein großes Stück ab. Das Geräusch erinnert an das Bersten einer Eisscholle.
Jemand poltert gegen die Tür und reißt sie im selben Moment auf. Blitzschnell werfe ich ein Kissen über die Schokolade, meinen Mund kann ich allerdings so leicht nicht verstecken. Deswegen drehe ich mich gar nicht um, sehe die Rückwand meines Zimmers an und brumme nur ein fragendes „ hmmmm? “ in Richtung Tür, während ich verzweifelt versuche, die Schokolade so schnell und unauffällig wie möglich durch meinen plötzlich so trockenen Hals zu befördern.
„ Wegen der Suchmaschine “ , höre ich Finn sagen. „ Weil du doch die Suchmaschine brauchst. Warum brauchst du überhaupt eine Suchmaschine? “
„ Hmm … mmm … “ , brumme ich vielsagend.
Ich höre, dass Finn einen Schritt näher kommt.
„ Was isst du
Weitere Kostenlose Bücher