Zwischen den Gezeiten
glänzenden Karten in den Händen des Leutnants. Ihr Samstag Abend! Wieviel besser, aufregender war das, als mit Henning in einer Bar zu sitzen und sich von den Jungs erzählen zu lassen. Sie bemühte sich, alles mitzukriegen, prägte sich jede Einzelheit ein. Henning und Marianne hatten sich einmal über Poker unterhalten â Bei Einsätzen
mit echtem Geld kommt es immer zu Streit, hatte die Mutter gesagt und weigerte sich, es zu probieren, selbst wenn es um Streichhölzer ging.
Der Leutnant setzte fünf Pfund.
»Ihre fünf und fünf«, sagte der Brillenträger.
»Bin drauÃen.« Der mit dem Bärtchen lehnte sich zurück.
»Erhöhe um zwanzig.« Der Flüsterer holte Zigaretten hervor, eine amerikanische Marke. AuÃerhalb des Lagers kannte Inga bloà das deutsche Geld, umgerechnet war die Summe, die hier gesetzt wurde, unglaublich hoch. Der Brillenträger schob Jetons in die Mitte. »Will sehen.«
Der Flüsterer deckte eine Neun auf und einen Buben. Der Korpulente präsentierte ein Zehnerpaar. Die Ellbogen auf die Knie gestützt, beugte Inga sich vor, ihr Stuhl knackte. In diesem Augenblick legte der Brillenträger die dritte Zehn zu den anderen, zupfte lächelnd am Doppelkinn. Der Flüsterer betrachtete seine Karten, als lohne es kaum noch, sie aufzudecken.
»Ein Glück, daà Sie mir die Karo Zehn übrig gelassen haben«, sagte er und schob sie als vorletzte Karte zwischen die Neun und den Buben. »StraÃe bis zum König.«
»Ich sehe keinen König.« Bullig beugte der Dicke sich vor.
Mit unveränderter Miene legte der andere den Kreuz-König dazu, entzündete das Streichholz und nahm den ersten Zug.
Ingas Wangen waren heiÃ, sie kühlte sie mit den Handrücken; kaum hielt es sie auf dem Stuhl am Rande der Lichtinsel, sie wollte näher, dazugehören, in die Spieler hineinsehen. Aus Gesten und Blicken versuchte sie deren Karten zu erraten. Der mit dem Bärtchen hoffte auf Karo, sein Finger tippte in einem fort auf den Karo-Buben. Der Brillenträger wollte sein gutes Blatt verheimlichen, schob hastig die Karten zusammen, um sie im nächsten Moment wieder zu öffnen. Das Glück blieb beim Flüsterer, er spielte gelassen, zugleich unvorhersehbar. Der Leutnant verlor â zweimal hatte er das Futteral schon hervorgeholt und Scheine gegen Spielgeld gewechselt. Dabei war er bester Laune, sein Gesicht freudig gespannt,
fast schien es, er habe Farbe bekommen. Gekonnt teilte er aus und unterhielt die anderen mit seinen Kommentaren.
Die ersten Male schenkte Inga nur nach, wenn es gewünscht wurde, später tat sie es von selbst. Der Whisky ging schnell zur Neige. Der Brillenträger zog die Jacke aus, dunkle Ringe zeichneten sich unter den Achseln ab, die Luft in dem winzigen Raum war verbraucht. Sie vereinbarten eine Pause, löschten das Licht und gingen hinaus; der Flüsterer bot den anderen Zigaretten an. Hinter Inga kam der Leutnant zur Tür gerollt.
»Müde?« Sie verneinte. »Gefällt es Ihnen?« Sie sah ihn begeistert an. Ihr Blick fiel auf das Ziffernblatt seiner Uhr, es war kurz vor eins. Sie hatte keinem gesagt, wo sie hinging â Erik und Marianne sorgten sich selten, doch so spät war Inga noch nie drauÃen gewesen.
Gegen halb zwei begann der Leutnant zu gewinnen. Der Flüsterer zeigte zwei Paare mit Assen, Hayden hielt ihm drei Achten entgegen. Gleich darauf setzte der Brillenträger dreiÃig Pfund auf eine StraÃe, der Leutnant schlug ihn mit einem Paar und drei Damen. Die anderen begriffen die Serie nicht gleich; der Leutnant spielte jetzt schneller, hochkonzentriert, die Finger beherrschten Karten und Jetons, er lieà sich von Inga nicht mehr nachgieÃen, spielte gegen die Müdigkeit der anderen an. Es war, als ob er das Blatt seiner Gegner vorhersah.
Der Brillenträger wirkte aufgelöst, kahle Stellen schimmerten durch sein Haar. »StraÃe bis zur Zehn.« Er sah den Leutnant herausfordernd an.
Der drehte sein Blatt aus dem Handgelenk um. »StraÃe zum Buben.«
»Woher wuÃten Sie, daà ich keine Dame habe?«
»Wie sagte der alte Colonel?« Ohne in der Bewegung innezuhalten, strich Hayden die Spielsteine ein. »DAS war Ihr Preis fürs Mitspielen. Unterricht kostet extra. « Die übrigen lachten. »Auch wenn ich gerade im Vorteil bin â« er nahm die Karten, »schlage ich
Weitere Kostenlose Bücher