Zwischen den Gezeiten
vor, ein Zeitlimit festzusetzen.« Er teilte sie, bog die Hälften hoch,
sie prasselten ineinander. Man einigte sich abzubrechen, bevor es hell wurde.
Inga bemerkte die eigene Müdigkeit, heiÃe FüÃe in den Schuhen, die klebrige Haut. Trotz der Wärme in der Baracke fröstelte sie, hatte Durst, doch es gab kein Wasser. Als die Schnapsflaschen leer waren, schickte der Brillenträger den mit dem Bärtchen zum Auto; er kam mit zwei vollen zurück. Inga zog die Beine an, nahm die Spange aus dem Haar und schüttelte den Kopf; bei aller Erschöpfung wollte sie nicht, daà es aufhörte. Trotz seiner Ruhe war dem Leutnant die Begeisterung anzumerken. Die Ãberheblichkeit, die er sonst an den Tag legte, seine unangenehme Herablassung, waren verschwunden. Spielt. wie der Teufel, dachte Inga und beobachtete, wie die weiÃen Finger die nächste Partie austeilten.
Kein Licht drang durch das Tuch, doch sie spürte, es wurde hell. Der Brillenträger sah auf die Uhr. »Meine Herren â«
Die Runde wurde zu Ende gebracht, der Flüsterer gewann. Wortlos öffnete der Leutnant das Futteral, tauschte Spielgeld, stapelte die Jetons in die Schatulle, auch die eigenen â so wuÃte niemand, wieviel er gewonnen hatte. Gleichzeitig standen die Männer auf, zogen die Jacken an und löschten das Licht. Ohne Verabschiedung verlieÃen sie die Baracke, miÃmutig starrte der Brillenträger in den östlichen Schimmer, sein praller Bauch wirkte eingefallen.
»Können wir Sie irgendwo absetzen?« fragte der Flüsterer Inga auf deutsch. Der endlose Heimweg fiel ihr ein, sie wandte sich zum Leutnant, als ob sie ihm verantwortlich sei.
»Fahren Sie nur, Inga.« Er rückte die Decke über den Beinen zurecht.
Der Wagen war ein ausländisches Modell, nicht so geräumig wie Hennings Auto, der Flüsterer nahm auf dem Fahrersitz Platz. Als letzte drängte Inga sich neben den Brillenträger und machte sich schmal. Im eisigen Morgengrauen kam ihr das Motorengeräusch übertrieben laut vor, die Räder drehten im Sandboden durch. Sie erreichten die Betonpiste, fuhren über das verlassene Flugfeld, Inga drehte sich um â ein irrwitziges Bild, wie der Leutnant den Rollstuhl
mit kräftigen StöÃen über die Startbahn bewegte. Ihr Mantel fiel ihr ein, der Schlüssel zum Büro, den sie eingesteckt hatte; sie wagte nicht davon anzufangen. Langsam rollte das Auto zwischen den Baracken hindurch, alles lag schlafend. Vor der Ausfahrt wuchs Ingas Befürchtung â den anderen mochte es gleich sein, sie durfte man nicht entdecken â, sie drückte sich in den Sitz und senkte den Kopf. Mit laufendem Motor hielt der Wagen an der Schranke, die Wache kam heraus, ohne zu grüÃen hob er den Schlagbaum, unbehelligt fuhren sie durch. Der Brillenträger war eingenickt, der mit dem Bärtchen starrte geradeaus. Es ging auf direktem Weg in die Stadt. Inga tastete unter sich und stellte fest, den Rücksitz bedeckte ein weiches Fell. Als die ersten Gassen auftauchten, nannte sie die Adresse, wenige Meter vor ihrem Haus wurde sie abgesetzt. Keiner sprach, sie warf die Tür zu, die anderen fuhren weiter.
Sie stand im erwachenden Tag, als sei es eine andere Welt.
5
E rik verbarg seine Sorge hinter Wut, Marianne rauchte schweigend; sie hatten die ganze Nacht gewartet. Er trug zum Hemd die Schlafanzughose, hatte sich nicht rasiert, im gefütterten Morgenmantel stand Marianne am Fenster, die braunen Locken lagen flach am Kopf an. Mit drei Schritten durchmaà der Vater das Zimmer.
»Dir hätte wer weià was passieren können!« Tageslicht fiel von hinten durch seine Brille; unten hörte man die Leute zur Frühmesse gehen.
Inga begriff die Sorge und empfand doch keine Scham. Ein Abend mit Freunden, erklärte sie, man habe gespielt und die Zeit übersehen. Die beiden müden Gestalten waren erleichtert, daà das Ausbleiben der Tochter harmlose Gründe hatte. Während Inga weiterlog, sah sie das Licht auf den Stirnen der Spieler, die farbigen Steine; wie prachtvoll der Leutnant mit den Karten umgegangen war.
Marianne drückte die Zigarette aus, ihre Augen bekamen einen seltsamen Ausdruck. »Komm in den Garten.«
Während Inga hinterherlief, ahnte sie es längst.
»Es ist noch am Abend gestorben«, sagte Marianne. Sie trat beiseite, wortlos öffnete Inga die Tür, lieà Licht ins
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