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Zwischen der Sehnsucht des Sommers und der Kälte des Winters

Titel: Zwischen der Sehnsucht des Sommers und der Kälte des Winters Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leif GW Persson
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verheiratet gewesen war, und drückte abermals ab. Sie sank in die Knie, ihr Kopf kippte vornüber, und ihre Augen schienen nichts mehr zu sehen. Doch offenbar hatte sie sich in dem Moment, in dem der Schuss fiel, noch bewegt, gerade dann, als er von der Mündungsflamme geblendet worden war, denn er traf sie in der Lunge, nicht, wie beabsichtigt, in der Wirbelsäule.
    Er begnügte sich damit, sie einige Sekunden lang anzusehen, denn in höchstens einer Minute würde sie tot sein, und er hatte wirklich nicht vor, so lange hier herumzulungern. Deshalb drehte er sich um, und weil der Boden vereist und glatt war, lief er breitbeinig und wie ein Jogger am Kantstein entlang, und während er die Treppe zur Döbelnsgatan hochrannte, stopfte er den Revolver wieder in seine Jackentasche.
    For a great and noble cause, dachte er, und er fand, er hätte das nicht schöner ausdrücken können.
    Als er die Döbelnsgatan erreicht hatte, verlangsamte er seine Schritte, überquerte gelassen die Straße und ging dann den Hang hoch. Bei der Regeringsgatan bog er nach rechts ab, nahm die Treppen zur Kungsgatan, und als er in Richtung Stureplan und U-Bahn weiterging und die vielen Menschen sah, wusste er schon, dass diese Menschenmenge ihm allen Schutz gab, den er brauchte, und dass er jetzt schon in Sicherheit war. Als er die Wohnung in Gärdet betrat, zeigte die Uhr erst zehn Minuten vor zwölf. Er hatte die Schuhe und alle Kleider ausgezogen und sie in einen normalen schwarzen Müllsack gesteckt, zuoberst hatte er den Revolver gelegt, und dann hatte er den Sack in die Küche gebracht und neben den Kühlschrank gestellt.
    Danach hatte er geduscht und sich die Haare gewaschen und als er sich allen Schmutz abgeduscht hatte, hatte er das Ganze wiederholt. Erst danach war er zu Bett gegangen. Er hatte an nichts Besonderes gedacht und war fast sofort eingeschlafen.
    Am nächsten Morgen war er mit dem Flughafenbus nach Arlanda gefahren, und wenn die Polizei derweil einen Mörder suchte, dann jedenfalls nicht dort draußen. Dieses eine Mal startete seine Maschine flugplangemäß, und als er in Palma landete, waren es fast zwanzig Grad, und zum ersten Mal, seit er auf der Insel wohnte, hatte er das Gefühl, nach Hause zu kommen.
     

 
     
XXI
Frei fallen wie im Traum
     

 Stockholm, 28. Februar bis 1. März
    Oredsson und Stridh hatten an der Würstchenbude unten beim Roslagstull gestanden, als Alarm gegeben wurde. Stridh war fast durchgedreht und hatte per Funk gefragt, ob sie die Ausfahrt am Roslagstull sperren sollten, während sie auf Verstärkung warteten, doch ihnen war aufgetragen worden, zum Tatort zu fahren und dort bei den praktischen Maßnahmen behilflich zu sein.
    Was ist bloß los?, überlegte Oredsson, als sie mit Blaulicht und Sirenen über den Sveavägen in die Innenstadt fuhren. Er begriff überhaupt nichts mehr. Wenn das hier der Anfang einer größeren Aktion sein sollte, die ihn und seine Kameraden anging, dann hätte er doch Bescheid wissen müssen?
    »Das ist doch der pure Wahnsinn«, fauchte Stridh. »Was sollen wir denn da? Die müssen doch die Ausfahrtstraßen sperren! Das muss doch sogar dieser Suffkopp da unten kapieren!«
    Der scheint das ja richtig schwer zu nehmen, bestimmt ist er ein Sozi, dachte Oredsson.
    Als sie den Tatort erreichten, wimmelte es dort von Kollegen und Zivilisten, und alle rannten wild durcheinander wie aufgescheuchte Hühner. Zuerst hatten sie eine Absperrung aufbauen müssen, aber da war dauernd irgendwer im Weg, schnell sollte es auch noch gehen, die Absperrung fiel also nicht gerade groß aus. Sie fiel eigentlich sogar ziemlich klein aus, wie eine Viehkette ungefähr, es war jedenfalls die kleinste Absperrung, die er je gesehen hatte, fand Oredsson. Und danach blieben sie einfach stehen und warteten auf weitere Instruktionen.
     
    *
     
    Da es ein Freitagabend war und Bäckströms Finanzen sich noch immer nicht gebessert hatten, hatte er wie so oft Bereitschaftsdienst geschoben und sofort begriffen, als Alarm gegeben wurde, dass jetzt der große Augenblick seines Lebens gekommen war, und ehe ihm jemand mit anderen Vorschlägen einen Strich durch die Rechnung machen konnte, streifte er seinen Mantel über und fuhr zum Tatort. Denn wo sollte ein routinierter alter Mordermittler wie er sich sonst aufhalten?
    Anders als die Kollegen versuchte er sogar, sich nützlich zu machen. Zuerst hatte er alle zivilen Gaffer zusammengetrieben, um nachzusehen, ob irgendwer verdächtig aussah, aber die

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