Zwischen der Sehnsucht des Sommers und der Kälte des Winters
Sicherheit nicht nehmen würden. Er fuhr am zentralen U- Bahnhof vorbei, stieg am Hötorget aus, stellte sich auf den Bahn- steig und gab vor, in eine Zeitung vertieft zu sein. Er hatte dabei wirklich ein Schweineglück gehabt, denn der Zug war so voll besetzt gewesen, dass er problemlos mit der Menge verschmolzen war.
Denselben Wagen zu nehmen, war natürlich auch unmöglich. Weshalb er abermals ein Risiko einging, sich in den allerletzten setzte und in der Rädmansgatan als einer der Ersten ausstieg. Da er Hunderte von Stunden mit der Beschattung von Menschen verbracht hatte, war er keiner, der seinem Objekt auf dem Fuß folgte, wenn sich eine andere Möglichkeit bot. Er ging vor ihnen hinauf auf die Straße und stellte sich, sowie er festgestellt hatte, dass sie das Grand-Kino ansteuerten, für einen Film an, den bestimmt viele sehen wollten, aber diese beiden garantiert nicht. Es war der falsche Film für Leute wie sie, und sowie er dann wusste, welchen Film sie sich ausgesucht hatten, verzog er sich. Er wusste, wann ihr Film zu Ende sein würde, denn das hatte er sich mit Hilfe des Plakates im Foyer ausrechnen können, und deshalb brauchte er nicht einmal bei einem Zeitungskiosk vorbeizuschauen, um diese Information einer Zeitung zu entnehmen. Die Kassiererin zu fragen, wäre natürlich niemals in Frage gekommen.
Er hatte nun durchaus nicht vor, zwei Stunden vor dem Kino herumzulungern. Dass es schweinekalt war, war uninteressant, wichtig war, Distanz zu halten, das Risiko zu verringern, und deshalb musste er andere Risiken eingehen. Was er nun wieder tat. Er setzte darauf, dass sie den Film zu Ende sehen würden, das machten solche Leute doch immer, und er setzte darauf, dass sie danach nach Hause fahren würden, und zwar mit der U- Bahn, das machten sie nämlich auch immer so. Und die ganze Zeit sah er die Gasse in der Altstadt vor sich.
Wenn er wirklich schoss, dann jedenfalls nicht auf nüchternen Magen. Er hatte den ganzen Tag noch nichts gegessen. Deshalb ging er in ein chinesisches Restaurant in der Drottninggatan, ziemlich viele Gäste, ziemlich angetrunkene und mit sich selbst beschäftigte Gäste, keine Garderobe, wo er seinen Mantel hätte abgeben müssen. Danach aß er und las in aller Ruhe die Zeitung.
Er bezahlte bar, gab nicht zu viel und nicht zu wenig Trinkgeld und ging rechtzeitig los, nicht zu früh und nicht zu spät. Und wie beim ersten Mal sah er sie aus knapp hundert Metern Entfernung, und sie kamen mit raschen Schritten auf ihn zu.
Leider gingen sie auf der falschen Straßenseite. Auf der westlichen Straßenseite vorbei am Adolf-Fredriks-Friedhof in Richtung Kungsgatan, in beiden Richtungen waren viele Leute unterwegs, es war unmöglich, hier etwas zu unternehmen. Er hatte soeben beschlossen, in die U-Bahn hinunterzulaufen, vor ihnen in die Altstadt zu fahren und in der Gasse auf sie zu warten, wo er sie zum ersten Mal gesehen hatte, als er plötzlich wieder dieses Schweineglück hatte. Denn plötzlich überquerten sie den Sveavägen und traten vor ein Schaufenster, und auf dieser Straßenseite war so gut wie kein Arsch unterwegs. Da könnte man doch glatt fromm werden, dachte Hedberg, ging hinüber und stellte sich auf derselben Straßenseite an die Ecke Tunnelgatan.
Das ist einfach zu schön, um wahr zu sein, dachte er. Eine kleine dunkle Querstraße mit Baubuden und Brettergängen und jeder Menge Fluchtwegen in nächster Nähe. Wenn er es sich hätte aussuchen können, dann hätte er seine Begegnung mit den beiden genau an diesen Ort verlegt. Es gab einfach keinen, der für sein Vorhaben besser geeignet gewesen wäre, während die beiden sich keinen unglücklicheren hätten aussuchen können. Deshalb wartete er auf sie, während er vorgab, sich ins Schaufenster zu vertiefen, und als sie an ihm vorübergingen, trat er einfach hinter sie, zog den Revolver aus der rechten Jackentasche, spannte den Hahn, legte dem Landesverräter die linke Hand auf die Schulter und setzte einen lauten und fast perfekten Schuss gleich unter seinen Kragenrand.
Seine Knie gaben nach und er schlug mit dem Gesicht auf die Straße auf. Tot, dachte Hedberg, das wusste er aus Erfahrung, obwohl er in seinem ganzen Leben bisher noch keinen Menschen erschossen hatte.
In der nächsten Sekunde trat er einen Schritt zurück, um besser zielen zu können, spannte den Hahn mit dem Daumen, denn seine Waffe reagierte träge beim Abdrücken, zielte auf den Kragenrand der Oberklassennutte, mit der der Landesverräter
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