Zwischen der Sehnsucht des Sommers und der Kälte des Winters
seine kurze Begegnung mit Waltin und an den Grund, aus dem Waltin ihn aufgesucht hatte. Um einen Ordner mit Unterlagen abzuliefern, die zwar unter strenger Geheimhaltung standen, die mit den folgenden Ereignissen aber auf keinen Fall etwas zu tun hatten. Das war alles, und mehr gab es dazu nicht zu sagen.
*
Hedberg traf verspätet in der Wohnung in Gärdet ein. Es ging schon auf halb acht zu, und Waltin hatte eine halbe Stunde gewartet und mehr oder weniger den Gedanken an das, woran er gedacht hatte, aufgegeben. Ob früher oder später, dachte er auf seine übliche leichtfertige Weise, eigentlich ist es egal, aber in diesem Moment hörte er Hedbergs Schlüssel im Schloss.
»Ich muss unser kleines Stelldichein leider absagen«, sagte Waltin, »aber im Grunde sind wir ja auch durch.«
»Mir recht«, sagte Hedberg und zuckte mit den Schultern. Er sollte vielleicht im Café Opera vorbeischauen und sehen, ob’s da was Aufreißbares gab. Das letzte Mal war schließlich schon eine Weile her.
»Vor einer Stunde hab ich im Dienst was Witziges gehört«, sagte Waltin. Mal sehen, ob er darauf anspringt, dachte er.
»Ja?«
»Unser gemeinsamer Bekannter hat angerufen und seine Leibwächter abbestellt. Er will mit seiner Frau ins Kino gehen. Mitten in der Stadt, an einem Freitagabend, wenn’s Geld gegeben hat und auf jedes Dutzend dreizehn Besoffene kommen«, sagte Waltin und lächelte.
»Die Schweden sind ein geduldiges Volk«, erklärte Hedberg. »Das ist ihm wohl auch schon aufgegangen. Die Schweden lassen sich hinters Licht führen. Man kann ihnen alles zumuten.«
»Da hast du wohl leider Recht«, seufzte Waltin.
»Wohnt er noch an der alten Adresse?«, fragte Hedberg plötzlich.
»Ja«, sagte Waltin, schaute auf seine teure Uhr, die er gestohlen hatte, als sein Mütterchen noch lebte und er viel zu jung gewesen war, um sie tragen zu können. »Doch, da wohnt er noch.«
»Aber was ganz anderes«, sagte er dann und stand auf. »Wo ich dich schon versetzen muss, hab ich immerhin ein paar Leckereien gekauft und in den Kühlschrank gelegt. Wenn etwas übrig bleibt, dann lass es einfach liegen, und ich hol es morgen ab, wenn du wieder weg bist. Ich wollte ohnehin hier vorbeischauen.«
»Das findet sich schon«, sagte Hedberg.
Kaum hatte Waltin das Haus verlassen, ging Hedberg in die Küche und nahm die Plastiktüte mit der Auswahl an Delikatessen heraus, die Waltin in den Kühlschrank gelegt hatte. Der Revolver lag unter einer Folienform aus der Östermalmshalle, die fertige Kalbfleischklopse, Sahnesoße, kleine grüne Erbsen und Kartoffelpüree enthielt.
Für wen hält der mich eigentlich?, dachte Hedberg verärgert, als er die Waffe in der Hand wog. Für Buffalo Bill?
Danach schaute er auf die Uhr, und die zeigte schon fast acht, und da brauchte er sich die Sache eigentlich nicht weiter zu überlegen, denn da er ohnehin in die Stadt wollte, konnte er auch in der Altstadt bei der Adresse des Landesverräters vorbeischauen.
XX
Für eine große und edle Sache
Stockholm, 28. Februar bis 1. März
Es war natürlich unmöglich, mit dem Taxi in die Stadt zu fahren. Obwohl er es eilig hatte, musste er die U-Bahn nehmen. Er durfte auch nicht hinter der Bahn herlaufen, weshalb er die erste verpasste und erst um halb neun in der Altstadt ankam. Dazwischen hatte er schon beschlossen, das ganze Projekt aufzugeben und einfach etwas anderes zu unternehmen. Die Antiquität, die Waltin ihm zugesteckt hatte, konnte er immer noch in einen Kanal werfen, denn die wollte er nun wirklich nicht mit sich herumschleppen oder gar in irgendeinem Lokal in der Garderobe hinterlassen.
Ich muss mich mit einem kurzen Spaziergang begnügen, dachte Hedberg, und als er aus dem U-Bahnhof kam, sah er als Erstes, dass sie ihm aus der gegenüberliegenden Gasse entgegenkamen. Sie waren vielleicht hundert Meter von ihm entfernt, und sie hatten ihn auf keinen Fall gesehen, weshalb er auf dem Absatz kehrtmachte und wieder auf den Bahnsteig zurückkehrte. Das war sicher nicht weiter riskant, denn wenn sie wirklich ins Kino wollten, dann sicher in eins am Hötorget oder in der Rädmansgatan, und wenn er sich darin geirrt hatte, würde er auch damit leben können.
Die gegenüberliegende Gasse wäre perfekt gewesen, aber daran ließ sich nichts ändern, und jetzt galten andere Bedingungen: Er musste Distanz halten und auf sein Glück vertrauen. Deshalb stieg er in den einfahrenden Zug, obwohl er wusste, dass sie den mit
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