Zwischen Ehre und Verlangen
verneigte sich ebenso wie seine Freunde.
“Überaus stattliche Kavaliere!”, äußerte Augusta anerkennend und sah amüsiert Mrs. Clare erröten. “Darf ich Sie einladen, an meinem kleinen Imbiss im Freien teilzunehmen?”
“Ja, gern, Mylady”, willigte Amanda, Entzücken heuchelnd, ein und begab sich mit der Baronin und deren Entourage zur Terrasse, auf der bereits gedeckte Tische und Sitzgelegenheiten bereitstanden. Im Stillen fragte sie sich jedoch beklommen, wie lange sie noch die Contenance wahren musste, ehe sie endlich Holkham Hall verlassen konnte. Gleich nach dem Lunch konnte sie nicht abreisen, weil das gewiss Verwunderung erregen würde. Sie sehnte sich danach, sich Jane anvertrauen zu können, doch selbst auf der Heimfahrt musste sie sich zurückhalten, damit Flambough nicht mitbekam, worüber sie mit ihrer Gesellschafterin sprach.
“Ist alles in Ordnung, Amanda?” erkundigte Jane sich besorgt.
“Ja”, log Amanda tapfer und rang sich ein Lächeln ab. “Mr. Brownsmith hat vorhin sein Erinnerungsvermögen zurückerlangt und weiß jetzt, dass er der Earl of Severn und ungebunden ist.”
“Aber?” fragte Jane angesichts der bedrückten Miene ihrer Freundin.
“Er fährt nach Leicestershire, um zu verhindern, dass eine Dame, die er heiraten möchte, eine ihr auferzwungene Ehe mit einem anderen Mann eingehen muss.”
“Du meine Güte!”, murmelte Jane erschüttert.
“Entweder kommt er unverrichteter Dinge oder mit dieser jungen und, wie ich hörte, sehr hübschen Person als seiner Verlobten zurück. Für mich wird er so oder so kein Interesse mehr aufbringen. Entschuldige, Mrs. Agnew hat etwas zu mir gesagt”, fügte sie hastig hinzu und schaute dann entschuldigend die Bekannte an. “Pardon, Madam, aber ich habe Sie nicht verstanden.”
“Ich habe Sie gefragt, Mrs. Clare, ob Sie jemanden kennen, der die Gouvernante meiner Kinder ersetzen kann”, sagte Clementine. “Meine hat den Dienst quittiert, weil sie eine Anstellung in London gefunden hat.”
“Leider kann ich Ihnen nicht helfen, Madam”, entgegnete Amanda. “Ich selbst bin auf der Suche nach einem Ersatz für meine Zofe, die in Kürze heiratet.”
“Ich weiß einen Rat”, schaltete Augusta sich ein. “Die in London lebende Schwester der Zofe meiner Schwägerin, einer sehr tüchtigen Person, möchte sich verändern. Ich kenne die junge Frau, habe einen tadellosen Eindruck von ihr gewonnen und kann sie Ihnen nur empfehlen. Sie hat einige Zeit die Stelle ihrer erkrankten Mutter versehen, die mittlerweile jedoch wieder im Dienst ist. Wäre es Ihnen recht, wenn ich Ihnen die Anschrift meiner Schwägerin gebe, die dann alles Weitere in die Wege leiten kann?”
“Ja”, antwortete Amanda erleichtert.
Augusta winkte ihre Gesellschafterin zu sich, hieß sie, die Anschrift ihrer Schwägerin für Mrs. Clare aufzuschreiben und ihr zu geben.
Amanda bedankte sich herzlich und steckte das Visitenkärtchen Ihrer Ladyschaft mit der Adresse der Schwägerin in ihre Gürteltasche.
Nach dem Lunch löste die Gesellschaft um Lady Grahame sich auf. Da Amanda das Bedürfnis hatte, in ihr eigenes Haus zurückzukehren, wandte sie sich an ihre Freundin und sagte: “Ich fühle mich nicht ganz wohl, Jane. Ich bin sehr abgespannt und möchte, wenn es dich nicht stört, heimfahren.”
“Natürlich nehme ich Rücksicht auf dich”, erwiderte Jane sofort.
“Danke”, sagte Amanda zufrieden. “Ich werde Flambough Bescheid geben, dass wir jetzt aufbrechen. Würdest du bitte vor dem Haupteingang auf mich warten?”
“Selbstverständlich”, willigte Jane ein und schaute besorgt die Freundin an. “Soll ich kutschieren?”
“Ja, das wäre mir lieb”, bekannte Amanda. “Bis gleich.” Sie verließ sie und ging durch den Park zu den Wirtschaftsgebäuden. Plötzlich sah sie Jared ihr entgegenkommen und überlegte, wie sie sich nun ihm gegenüber verhalten solle. Nach kurzem Zögern blieb sie stehen und wartete, bis er bei ihr war.
“Es tut mir außerordentlich leid, Amanda”, äußerte er bedauernd, “dass wir uns so unvermittelt trennen müssen.”
“Oh, ich habe vollstes Verständnis”, erwiderte sie kühl. “Lord Oughton hat beiläufig erwähnt, eine dringende Familienangelegenheit sei der Grund für deine überraschende Abreise.”
“So kann man es nennen”, sagte Jared ausweichend. “Ich breche morgen in aller Frühe auf und möchte die Gelegenheit jetzt nutzen, um dir nochmals von ganzem Herzen für deine Unterstützung zu
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