Zwischen Ehre und Verlangen
danken.”
“Ach, das ist nicht nötig”, entgegnete sie leichthin. “Das habe ich gern für dich getan. Schließlich war ich begierig zu erfahren, welches Geheimnis dich umgab.”
“War es nur die Neugier, und nicht mehr, die dich dazu bewogen hat?” erkundigte Jared sich betroffen.
Amanda verstand nicht, was er mit dieser Frage bezweckte. Schließlich stand er im Begriff, zu einer anderen Frau zu reisen, einer Frau, die ihm mehr bedeutete als sie. Sie hatte nicht vor, ihr Gesicht zu verlieren und Jared zu gestehen, dass sie ihn liebte. “Natürlich stehe ich tief in deiner Schuld, weil du Humphrey eine derart wirkungsvolle Lektion erteilt hast. Ich bin sicher, er wird mich nie mehr belästigen. Und ich werde es dir nicht vergessen, dass du mich beim Unfall mit der Postkutsche so beschützt hast. Was alles andere betrifft …, ich meine die zwischen uns getauschten Zärtlichkeiten, so sollten wir die Dinge sehen, wie sie sind. Wir haben Stimmungen nachgegeben und uns treiben lassen. Ich habe dir gesagt, dass ich ein vernünftig denkender Mensch bin und nicht unerfüllbaren Träumen nachhänge. Die vergangenen zwei Wochen mit dir waren sehr abwechselungsreich, wenngleich nicht immer sorgenfrei. Ich wünsche dir viel Glück, Jared”, fügte sie hinzu und hielt ihm die Hand hin.
Er ergriff sie, drückte sie leicht, während er Amanda tief in die Augen schaute, und konnte dem Drang nicht länger widerstehen, ihre Finger zu streicheln.
Hastig entzog sie ihm ihre Hand und sagte gepresst: “Leb wohl, Jared.”
Bestürzt sah er sie zu den Stallungen eilen und überlegte, ob er ihr folgen solle, entschied sich dann jedoch dagegen.
Am Morgen nach Kates Hochzeit mit Thomas Gourley saß Amanda etwas übermüdet beim Frühstück, schaute die nicht minder angegriffen aussehende Freundin an und erkundigte sich beiläufig: “Wäre es dir recht, Jane, wenn wir für einige Tage nach London fahren würden? Ich gedenke, am Wochenende dorthin aufzubrechen.”
Verblüfft richtete Jane die Augen auf Amanda und wiederholte erstaunt: “London? Was willst du dort zu dieser Zeit? Die Saison ist doch vorbei.”
“Ich möchte mich mit Lady Grahames Schwägerin in Verbindung setzen”, erklärte Amanda. “Außerdem habe ich Einkäufe zu tätigen.”
“Natürlich ist mir ein Aufenthalt in London recht”, stimmte Jane zu.
“Gut, dann werde ich alles Notwendige veranlassen. Wir werden im ‘Clarendon’ absteigen. Das ist mir irgendwann von jemandem empfohlen worden”, setzte Amanda hinzu und erinnerte sich daran, dass Jared einmal geäußert hatte, in diesem Hotel speise man besser. Plötzlich war ihr, als würde sie seine Stimme hören, hatte in Gedanken sein Gesicht vor sich und musste sich zwingen, die Fassung zu wahren.
Wie geplant, traf Amanda mit ihrer Gesellschafterin am Wochenanfang im “Clarendon” ein.
“Ich verstehe nicht, warum du für einen angeblich nur wenige Tage dauernden Aufenthalt so viel Gepäck mitgenommen hast”, sagte Jane und blickte auf die vielen Portemanteaux, die von den Hoteldienern in die Suite gebracht worden waren.
“Nun, es könnte doch sein, dass wir länger als vorgesehen bleiben wollen”, antwortete Amanda leichthin. “Dann ist es gut, genügend Wäsche zum Wechseln zu haben, selbst wenn ich mich mit der Absicht trage, meine Garderobe aufzustocken.”
Missmutig verzog Jane das Gesicht, da sie es hasste, einkaufen zu gehen. “Hast du dich erkundigt, wie du zu Mrs. Thornton kommst?”
“Ja”, antwortete Amanda. “Ich werde zu ihr fahren, sobald sie mir einen Termin genannt hat.”
7. KAPITEL
M rs. Thornton hatte Amanda am Mittwoch zum Tee zu sich gebeten, und pünktlich zur festgesetzten Zeit traf sie mit ihrer Gesellschafterin im Haus Nummer vier in der Upper Brook Street ein. Sie wurden in den Empfangssalon gebeten, und kurze Zeit später trat Mrs. Thornton mit einer jungen Frau ein, die sie als Susan Wilkens vorstellte. Zum Platznehmen aufgefordert, setzten Amanda und Jane sich auf die Chaiselongue, und die Dame des Hauses ließ sich in einem Fauteuil nieder. Amanda machte Mrs. Thornton und Jane miteinander bekannt, und dann plauderte man über Belanglosigkeiten, bis der Butler mit dem Teewagen erschien und servierte. Verstohlen hatte Amanda im Verlauf des kurzen Gesprächs Miss Wilkens beobachtet und einen sehr ansprechenden Eindruck von der adrett gekleideten und sich ihrer Stellung bewussten jungen Frau gewonnen.
“Bitte stellen Sie Ihre Fragen”, forderte die
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