Zwischen Ehre und Verlangen
Sir?”
“Um den von Mr. Eden im vergangenen Monat gekauften Friesen, Madam”, antwortete James erheitert.
“Warum sind Sie so belustigt?” wunderte sie sich. “Friesen gehen doch ausgezeichnet im Geschirr und unter dem Sattel sind sie ausdauernde Arbeitspferde, ganz abgesehen davon, dass sie sich hervorragend als Fahrpferde eignen. Darf ich Sie daran erinnern, Mylord, dass bei der Beerdigung des Duke of Wellington der Katafalk von sechs schwarzen Friesen durch Londons Straßen gezogen wurde?”
“Sie haben recht, Madam”, stimmte James ihr zu. “Mr. Eden hat keine Ahnung von Pferden und sich … Nein, keinen Einwand, Sebastian! Du weißt genau, dass du nichts von Pferden verstehst. Also, er ist gänzlich sachunkundig, Madam, und hat sich diesen Friesen, der wirklich alles andere als eine so genannte ‘schwarze Perle’ ist, von einem Rosstäuscher aufschwatzen lassen.”
“Wenn es tatsächlich kein gutes Exemplar seiner Spezies ist, frage ich mich, warum Lord Severn die Wette angenommen hat”, erwiderte Amanda verdutzt.
“Ich war, wie ich zu meiner Schande gestehen muss, nicht mehr ganz nüchtern”, erklärte Jared.
“So etwas soll vorkommen”, äußerte Amanda trocken und hörte die Herren schallend auflachen.
“Ich bin Ihnen für Ihr Verständnis zu großem Dank verpflichtet”, sagte er erheitert.
“Oh, eben fällt mir ein, James, dass du nicht ganz auf dem neuesten Stand des Klatsches bist”, warf Edmund süffisant ein.
“Wie soll ich das sein, wenn ich vierzehn Tage lang in einem Dorfgasthaus die Buchführung gemacht habe?” fragte Jared kopfschüttelnd. “Worum geht es?”
“Um eine Neuigkeit, die sicher sehr interessant für dich ist. Es geht das Gerücht, Langham habe deiner entfernten Cousine Diana einen Heiratsantrag gemacht. Ich weiß nicht, was ich davon halten soll, dass ein so alter Mann sich mit einem derart blutjungen Mädchen vermählen will.”
“Wie bitte?” fragte Jared scharf.
Verblüfft schaute Amanda ihn an.
“Ich dachte mir, dass dich diese Nachricht ziemlich betroffen stimmen würde”, antwortete Edmund.
Amanda hatte den Eindruck, dass Lord Severn nicht recht wusste, worum es ging. Da sie befürchtete, die Unterhaltung könne gefährlich für ihn werden, schaltete sie sich in das Gespräch ein: “Lord Langham soll keinen sehr guten Ruf haben, wie ich hörte.”
“Das ist freundlich ausgedrückt”, meinte James. “Er ist jetzt Mitte vierzig und führt immer noch ein sehr ausschweifendes Leben”, fügte er mit einem bedauernden Blick auf Jared hinzu. “Einzelheiten will ich Ihnen ersparen, Madam, da sie nicht für die Ohren einer Dame geeignet sind. Jedenfalls sollte eine Frau tunlichst darauf achten, niemals mit Langham allein zu sein.”
“Das sagt alles”, warf Amanda ein.
“Und Miss Diana Poste, deren Mutter im Kindbett verstarb, ist erst knapp achtzehn Jahre alt und wird in der kommenden Saison ihr gesellschaftliches Debüt geben, wenngleich sie schon hin und wieder bei Bällen und dergleichen gesehen wurde. Es wird einen Aufruhr auf dem Heiratsmarkt geben, wenn sie offiziell vorgestellt wird. Ich bezweifele, dass ledige Herren sich von dem Gerücht abhalten lassen, sie sei Langham versprochen, es sei denn, die Verlobung wird öffentlich bekannt gegeben.”
“Warum wird Miss Poste ein solches Aufsehen erregen, Sir?” wandte Amanda sich an Jared.
“Sie ist die schönste Frau, die ich je gesehen habe, und in jeder Hinsicht reizvoll”, antwortete James anstelle des Freundes und sah ihn leicht anzüglich lächelnd an.
Unwillkürlich wurde Amanda von einem ihr unerklärlichen Unbehagen erfasst und blickte flüchtig zu Jared, dessen Miene indes nicht anzusehen war, was in ihm vorging.
“Sie hat herrliche kornblumenblaue Augen”, fuhr James fort, “lange, fein geschwungene Wimpern, schmale, hübsch geschwungene Brauen und wunderschön schimmerndes blondes Haar. Ihr Gesicht ist sehr ebenmäßig, und dazu hat sie ein so gewinnendes Lächeln, dass man …, nun, das gehört nicht hierher. Wie gesagt, sie ist bezaubernd und so frisch und natürlich, dass sie sich wohltuend von all den auf große, welterfahrene Dame machenden Debütantinnen abhebt.”
Jäh erkannte Amanda, dass es diese Frau war, über die Jared einmal gesprochen hatte, und das Herz krampfte sich ihr zusammen. Es gab jedoch einen Widerspruch, den sie sich nicht erklären konnte. Damals hatte er geäußert, er habe die Heirat mit dem alten Bewunderer nicht verhindern
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