Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Zwischen Ewig und Jetzt

Zwischen Ewig und Jetzt

Titel: Zwischen Ewig und Jetzt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marie Lucas
Vom Netzwerk:
wollte etwas anderes …«
    »Von dir Besitz ergreifen?«
    »Quatsch.« Die Besorgnis in seinem Blick verschwindet und macht Amüsiertheit Platz. »Du hast wirklich zu viel
Supernatural
gesehen.«
    Ich seufze. Er will es einfach nicht wahrhaben. Die Wut bei Alice und auf dem Weg ins Café, als Justins Mutter noch in seinem Kopf spukte. Die Veränderung seiner Pupillen: Er will es einfach nicht glauben. Redet von Blackouts (als wenn es das besser machen würde). Aber es sind ja nicht nur diese kurzen Aussetzer. Nicht mal die Visionen, die ich hatte und die ich nicht noch einmal haben möchte. Da war noch etwas anderes. Nicht mehr als ein Schatten hinter ihm. Im Klassenzimmer. Neulich, auf dem Nachhauseweg. Der Schatten, der einen Verdacht in mir weckt …
    »Hast du dich denn nie gefragt, aus welchem Grund du diese Gabe hast? Ob du, keine Ahnung, irgendetwas Sinnvolles damit anfangen solltest?«
    »Diese
Gabe
?« Niki grinst. »Schön ausgedrückt. Du meinst, noch sinnvoller als Sachen wiederzufinden und letzte Angelegenheiten zu regeln? Nein, habe ich nicht. Ehrlich gesagt hat mich die erste Hälfte meiner Zeit eher beschäftigt, ob ich verrückt werde, und die zweite, wie ich diese
Gabe
wieder loswerde. Und jetzt …«
    »Jetzt?«
    »Kann ich damit leben.« Er sieht mich ernst an. »Solange du es auch kannst.«
    Ich komme nicht dazu, etwas zu erwidern, weil in diesem Augenblick das Telefon läutet. Gott sei Dank ist es kein Hinterbliebener, sondern nur ein Amt, das irgendeine Nummer braucht. Niki vertröstet den Anrufer auf morgen.
    »Also, ich habe da eine Theorie«, beginne ich vorsichtig, als er aufgelegt hat. »Eine Theorie, diese … diese Gabe betreffend.« Ich habe nun einmal keinen anderen Ausdruck dafür.
    »Und die wäre?« Niki klickt mit dem Kugelschreiber in seiner Hand. Ein Geräusch, das ziemlich nervtötend sein kann.
    »Was, also was hältst du …«, ich räuspere mich. Dann rücke ich rasend schnell damit raus: »Von Engeln?«
    Nikis Miene ist unergründlich. »Die da?«, sagt er und deutet auf den Kalender. Es sind Bilder mit lauter Engeln drin. Die putzigen Kerlchen von Raffael sind auch darunter, ich hab ihn mir vorhin angesehen. »Nicht die dicken Kinder. Eher die unergründlichen, düsteren. So wie früher.«
    »Früher?« Klick-klick.
    »Ja. Als sie noch allerlei Macht hatten. Sodom und Gomorrha verwüsteten. Diese Art Engel.«
    »Warum?« Klick.
    »Weil ich mich ehrlich gesagt frage, wo diese Ga… diese Sache herkommt. Mit Toten zu reden, meine ich. Dafür muss es doch einen Grund geben.«
    Immer noch verzieht er keine Miene, dafür nimmt die Frequenz des Kugelschreiberklickens zu. »Und du meinst also, ein Engel hätte mir
diese Sache
verliehen.«
    Himmel, ich komme mir schon selbst blöd vor. »Nicht direkt.« Ich starre ihm in die blauen, unnatürlich blauen Augen.
    »Aha«, sagt Niki. »Verstehe.« Sein Mundwinkel zuckt. Und dann beginnt er schallend zu lachen. Beugt sich über den Schreibtisch und lässt sich auf seine Unterarme sinken.
    Sehr witzig. »Niki«, versuche ich ihn zu stoppen. »Hör auf damit!« Ich ziehe an seinen Haaren, muss aber auch ein bisschen schmunzeln. »Das ist doch nur eine Theorie.«
    »Sodom und Gomorrha«, japst er. »Das ist ja cool. Mann, dann könnte ich sogar fliegen: Das habe ich noch gar nicht versucht.«
    Gottes Engel haben keine Flügel
, schießt mir durch den Kopf. »Das würde ich an deiner Stelle nicht versuchen.«
    »Nein.« Niki sieht hoch, und seine Augen schwimmen in Tränen, Lachtränen. »Aber jetzt mal ernst.« Und er versucht es. Ernst zu bleiben, auch wenn sein Mundwinkel zuckt. »Du meinst doch nicht wirklich, ich wäre ein Engel?«
    Ein dunkler Engel,
geistert die Stimme von Nikis Vater durch meinen Kopf.
Etwas Grausames
. Und die von meiner Mutter. »Naja, wäre doch spannend. Einen Engel als Freund hat sicher nicht jeder«, versuche ich jetzt selbst, meinen Verdacht ins Lächerliche zu ziehen.
    Niki lehnt sich vor. »Ich kann dir versichern, ich bin
kein
Engel.«
    Ich beuge mich ebenfalls nach vorne. »Aber ein Teufel hoffentlich auch nicht.«
    Niki kommt noch näher. »Dämon, heißt das heutzutage. Siehst du denn gar kein Fernsehen?«
    Unsere Gesichter sind nur Zentimeter voneinander entfernt. »Ich dachte, du glaubst nicht an
Supernatural

    »Nur an das wirklich spitzenmäßige Auto der beiden«, ist seine Antwort.
    Und dann, noch bevor wir uns küssen können, klingelt das Telefon und lässt uns auseinanderfahren. Dieses

Weitere Kostenlose Bücher