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Zwischen Ewig und Jetzt

Zwischen Ewig und Jetzt

Titel: Zwischen Ewig und Jetzt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marie Lucas
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Noten? Wollen Sie die behalten?«, fragt Niki.
    Meine Mutter schaut hoch, wischt sich mit dem Handrücken über die Stirn. »Was meinst du, Julia? Ja, doch. Auf jeden Fall. Er hätte nicht gewollt, dass wir die so einfach wegwerfen.«
    Niki schleppt die Partituren zum Auto, wir arbeiten schweigend weiter. Immerhin kann man nach einer Weile schon wieder den Boden des Zimmers sehen.
    Gegen Mittag bringt uns die ehemalige Pflegerin von Opa eine Kanne Kaffee und drei Schnitten Sahnetorte. Wir sind dankbar für die Pause und sogar für die Torten. Da sonst keine Möbel mehr im Zimmer stehen, überlassen Niki und ich meiner Mutter das Klinikbett, setzen uns auf den Boden und lehnen uns an den Schrank.
    »Und«, sagt meine Mutter, kaum dass sie den ersten Bissen hinuntergeschluckt hat, »was machst du so, Niki?«
    »Mama!« Meine Gabel erfriert in der Luft. »Wir waren uns doch einig«, sage ich eindringlich.
    Meine Mutter zuckt mit den Schultern. Sie balanciert den Kuchenteller auf ihren Knien und greift zum Kaffee. »Ich mache doch nur Konversation.«
    »Was meinen Sie? Was soll ich schon groß machen?«, fragt Niki mit einem Lächeln. »Ich gehe zur Schule.«
    »Und sonst?«
    »Mama!« Ich wende mich an Niki. »Du musst nicht antworten.«
    Niki grinst. »Hausaufgaben, ich lerne. Das, was alle so machen, denke ich.«
    »Und du lebst allein mit deinem Vater?«
    Jetzt reicht es. Ich stelle meinen Kuchenteller ab. »Das ist keine Konversation, das ist Aushorchen.«
    Meine Mutter stochert ungerührt in ihrem Kuchen. »Gut, dann nicht. Ich ziehe die letzte Frage zurück. Worüber darf ich denn mit deinem Freund reden?«  
    »Über gar nichts. Ich weiß nicht. Hobbys, wenn’s sein muss.«
    »Und, Niki, hast du irgendwelche interessanten Hobbys?«
    »Antworte nicht«, sage ich rasch, »das ist eine Fangfrage.«
    »Also ehrlich, Julia.« Meine Mutter legt ihre Gabel weg. »Über irgendetwas muss ich doch mit Niki reden dürfen.«
    »Das Wetter«, sage ich. Ja, das Wetter erscheint mir unverfänglich genug.
    Die Augen meiner Mutter blitzen. »Und was machst du gewöhnlich bei diesem schönen Wetter, Niki, so als Hobby?«
    Meine Mutter und Niki lachen.
    Es ist echt nicht zum Aushalten.
    »Aber eins interessiert mich wirklich«, sagt meine Mutter, als sie aufgegessen hat und nur noch an ihrem Kaffee nippt. »Hat dein Vater dir diesen Ring am Mund erlaubt?«
    Nun sind es Nikis Augen, die blitzen. »Ich habe ihn nicht groß gefragt«, erwidert er.
    Meine Mutter nickt. »Dachte ich mir.«
    »Was dachtest du dir?«, frage ich scharf nach. Das ist nämlich immer so bei ihr: Man sagt das Eine, und sie denkt sich das Andere dazu.
    »Dass Niki recht selbständig ist in seinen Entscheidungen.«
    Aha. »Du kennst ihn doch gar nicht.«
    »Ich darf ihn ja auch nicht kennenlernen, schließlich verbietest du mir jede Art von Frage.«
    »Siehst du«, wende ich mich an Niki, »siehst du, was ich meine? Ist sie nicht geschickt?«
    »Lass doch.« Niki scheint das eher amüsant zu finden. »Deine Mutter kann fragen, was sie will.«
    Meine Mutter lächelt, als sie zur nächsten Frage ausholt. »Warst du eigentlich der Grund dafür, dass Julia sich von Felix getrennt hat?«
    Jetzt bleibt er ebenso stumm wie ich. Die Temperatur im Zimmer sinkt schlagartig um einige Grad, und ich will gerade Atem holen, um meiner Mutter etwas Passendes entgegenzuschleudern, als Niki mir seine Hand auf den Arm legt. »Weniger, als ich mir gewünscht hätte. Und ja«, wendet er sich an mich, »jetzt weiß ich, was du meinst, Julia.« Er steht auf. »Wollen wir nicht weitermachen? Wir haben noch jede Menge zu tun.«
     
    »Ich hab es nicht so gemeint. Ich habe es wirklich nicht so gemeint«, versucht meine Mutter sich zu rechtfertigen.
    »Guck geradeaus«, erwidere ich müde.
    Meine Mutter schafft es, so scharf am Fußgängerüberweg zu halten, dass die Passanten vor uns fast einen Herzanfall erleiden. Ein junger Mann zeigt uns den Mittelfinger.
    So etwas beeindruckt meine Mutter nicht. »Mein Gott, du bist aber auch empfindlich. Niki hat mir die Frage überhaupt nicht übel genommen.«
    »Nein, natürlich nicht. Du kennst ihn ja auch so gut, dass du das beurteilen kannst.«
    »Er hat es gesagt, als ich mich entschuldigt habe.«
    »Na dann«, erwidere ich ironisch. Hinter uns wird gehupt. »Es ist grün.«
    Unser Auto ist so voller Papiere und Partituren und Zeug von meinem Opa, dass man kaum noch aus dem Fenster sehen kann.
    »Du hast gesagt, du müsstest dich nicht

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