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Zwischen Ewig und Jetzt

Zwischen Ewig und Jetzt

Titel: Zwischen Ewig und Jetzt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marie Lucas
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hinter meinem Becher, um nichts antworten zu müssen.
    »Dieser Niki scheint ja ein begabter junger Mann zu sein«, knüpft Erik an sein Lieblingsthema an, als sei nichts gewesen.
    Ich verschlucke mich prompt. Stelle den Kaffee hin, huste und schnappe nach Luft. »Was?«
    »Anni hat mir von ihm erzählt. Sie meint, er hätte eine ganz besondere
Begabung

    Ich huste noch immer, kann nicht antworten. Mit hochrotem Kopf sehe ich mich nach den anderen Tischen um, doch die Leute lassen sich so leicht nicht aus der Ruhe bringen.
    Erik beugt sich vor. »Sie sagt, er könne Tote hören.«
    Ich habe mich wieder gefangen. So einigermaßen. »Blödsinn«, keuche ich.
    »Oh, sag das nicht«, er lehnt sich wieder zurück. »Ich habe auch mal mit diesen Sachen experimentiert. Nichts Weltbewegendes, nur Gläser verrückt und ein Ouija-Brett versucht, etwas in der Art. Was man als Jugendlicher eben so macht. Aber Niki ist besser, sagt Anni.«
    »Anni erzählt anscheinend eine ganze Menge«, erwidere ich.
    »Sie erzählt mir alles«, grinst Erik. »Ich bin schließlich ihr Bruder. Anni meint, dein Freund redet mit Toten. Sie hat es erlebt.«
    »Ich muss jetzt los«, sage ich und stehe auf.
    »Aber was ist«, fährt Erik in einem Tonfall fort, als würden wir uns hier über das Wetter unterhalten, »wenn du ihn berührst? Du berührst ihn doch, oder, Julia? Hörst du sie dann auch? Spürst du sie?«
    »Du … das ist doch …«, bringe ich gerade noch raus.
    Erik erhebt sich ebenfalls, und obwohl er lächelt, wirken seine Augen unbeteiligt, fast kalt. »Wie ist es eigentlich, mit den Toten zu schlafen?«
    Ich bin fassungslos, kann mich kaum rühren. »… verrückt«, kann ich nur noch meinen Satz zu Ende stammeln. Ich trete einen Schritt zurück und stoße dabei meinen Stuhl um, stolpere fast. Jetzt sehen mich alle an. Ich spüre, wie mir die Röte ins Gesicht kriecht. Wie kann er … wie kann er nur? Mit hochrotem Kopf stürme ich aus dem Raum und bin schon draußen auf der Straße, als ich merke, dass ich meine Bücher vergessen habe. Ich überlege kurz, sie dazulassen, aber nein. Renne hoch zur Ausgabe, hole mir meinen Stapel Bücher ab. Rasch packe ich sie in die mitgebrachte Tasche und haste runter zur Tür. Bin beinah schon wieder weg, als mein Blick noch einmal in Richtung Cafeteria wandert. Und da steht Erik. Er winkt mir so fröhlich zu, als sei nichts gewesen.
     
    Um es gleich vorweg zu nehmen: Wissenschaftliches über Engel gibt es kaum. Nur wie oft sie in der Bibel erwähnt werden, und das ist selten. Zumindest in den
kanonischen Schriften
. Es gibt auch noch die so genannten
Apokryphen
: Das sind Texte, die in derselben Zeit verfasst wurden wie die Bibel, aber nicht darin aufgenommen wurden, aus welchen Gründen auch immer. Da werden die Engelssichtungen schon häufiger. Mit Toten allerdings reden sie nirgends. Es gibt in der Bibel nicht mal einen Todesengel. Nur im Koran, aber über den finde ich auch nicht gerade viel. Tja, das war’s dann wohl. Ich schlage das letzte Buch zu.
    Niki war wie immer nicht zu erreichen. Im Moment hat er reichlich zu tun, und ich meine damit nicht die Vertretung für die Frau im Büro. Die ist wieder da. Ich meine die andere Kundschaft. Es sind kleinere Sachen, Briefe schreiben, Anrufe machen. Dinge sind verschwunden, müssen wiederbeschafft werden, Tiere untergebracht, letzte Botschaften ausgerichtet werden. Das Übliche. Aber er verbringt mehr und mehr Zeit damit. Redet mit den Toten, versucht, etwas in Erfahrung zu bringen. Wahrscheinlich hat mein Nachbohren ihn doch nervös gemacht. Er versucht, etwas über seine Blackouts herauszufinden.
    Ich kann damit leben, wenn du es kannst, hat er gesagt.
    Das kann ich. So einigermaßen. Mit dicker Luft und dem Gefühl, als würde man in einem startenden Flugzeug sitzen, komme ich klar. Diese aufblitzende Wut macht mir Sorgen. Von den Visionen ganz zu schweigen, aber die sind ja nicht echt. Vielleicht kann man sich dagegen sogar wehren.
    Ich blicke seufzend auf die nutzlosen Bücher. Eine Gebrauchsanweisung, wie man so etwas anstellt, gibt es auf jeden Fall nicht.
    »Oh, Julia.« Meine Mutter ist schon im Mantel, als sie ins Wohnzimmer hereinschneit. »Ich dachte, du machst Ordnung? Du wolltest doch etwas aussortieren?« Sie kniet nieder, rafft Papiere an sich, schiebt sie zu Haufen zusammen.
    »Ich bin dabei. Hör auf damit. Mama! Du bringst alles durcheinander.«
    Sie richtet sich wieder auf. »Ich bringe alles durcheinander? Ich?« Sie

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