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Zwischen Ewig und Jetzt

Zwischen Ewig und Jetzt

Titel: Zwischen Ewig und Jetzt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marie Lucas
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Wesen antwortet nicht. Umständlich holt es etwas aus der Tasche von Eriks Hose, hält es mit beiden Händen und wirft es mir in den Schoß.
    Ich starre darauf. Es ist mein Handy!
    »Anrufen«, sagt das Wesen.
    »Wen soll ich anrufen?« Ich greife danach, meine Hand zittert.
    »Du willst doch gerettet werden, Julia?« Das Wesen starrt mich bewegungslos an. Sein Gesicht liegt im Dunkeln.
    Allein die Reglosigkeit macht mir eine Heidenangst. Ich weiß, was es kann. Was es mich sehen lassen kann. »Wen soll ich anrufen?«
    »Deinen Retter«, erwidert das Wesen.
    Tja, da habe ich meist zwei, muss ich unwillkürlich denken. Aber nur einen, der mit Toten spricht, nicht wahr? Nur einen, mit dem das Wesen auch ohne den Umweg über Erik reden könnte. Aber ehrlich gesagt sieht es nicht so aus, als wolle es sich mit Niki gemütlich bei einer Tasse Tee unterhalten …
    »Deinen Freund«, stellt das Wesen mit seiner Sandstimme klar.
    Ich entscheide mich. Tippe die Eins. Höre, wie es klingelt.
    »Ja?«, meldet sich Felix.
    »Ich bin es.« Ich schaue nicht hoch. Weiß auch so, dass dem Wesen keine meiner Bewegungen entgeht. Und es mir genau zuhört.
    »Julia! Ich habe mir schon Sorgen …«
    »Hör zu, Niki, es ist wichtig. Sehr wichtig, dass du alles verstehst, Niki. Ich bin hier bei Anni. Allein mit Erik. Du solltest kommen. Mich retten. Es ist wichtig, dass du es bist, denn hier ist etwas …« Das Wesen macht eine ungeduldige Bewegung. Ich räuspere mich. »Komm bitte.« Dann drücke ich auf Aus. Halte das Handy immer noch fest in meiner Hand. Es ist nur ein Versuch, doch ich denke nicht, dass wir mehr als einen haben. »Und jetzt?«, frage ich, flüstere es fast.
    »Jetzt warten wir«, sagt das Wesen.
     
    Es scheint schwierig für das Wolfswesen zu sein, Erik ständig zu besetzen. Ich wünschte, ich könnte seine Pupillen sehen, doch die Toten bevorzugen anscheinend das Dunkel. An seiner Haltung versuche ich abzulesen, wer von beiden mir gegenübersitzt. Und nutze die kurzen Pausen, die ich mit Erik habe.
    »Kannst du … kannst du ihn eigentlich hören?«, wage ich zu fragen. Erik sitzt zusammengesunken da: Das scheint sich von der Wachsamkeit des Wesens zu unterscheiden.
    Erik hebt müde den Kopf. »Ich höre, was ich sage.«
    »Du kannst also nicht mit Toten …«
    »Ich bin nicht tot«, zischt das Wesen. »Schon lange nicht mehr.« Es richtet sich mir gegenüber zu erstaunlicher Größe auf, und ich stemme mich regelrecht in meinen Sessel und weg davon, presse die Lippen aufeinander, um nicht zu schreien. Innerlich todesängstlich warte ich darauf, dass es wieder in sich zusammenfällt. Ich muss noch etwas wissen, bevor wir Besuch bekommen. So viel wie möglich herausfinden.
    »Warum willst du … warum willst du Niki?«
    »Ich nicht. Er«, erwidert Erik und stöhnt. »Er hat ihn gesehen. Vor der Schule. Ich will ihn nur … nur … loswerden.«
    »Loswerden?« Jetzt wird mir einiges klar. »O mein Gott, du willst das Wesen auf Niki hetzen!«
    Erik scheint auf etwas zu lauschen, antwortet zunächst nicht. Vielleicht ist auch er wachsam vor dem Wesen in sich selbst. »Es fing alles ganz harmlos an. Habe ein bisschen rumexperimentiert. Mit Magie. Testergebnisse versucht zu beeinflussen. Erfolgszauber.« Er atmet einmal tief durch: Es scheint ihm schwerzufallen, zu sprechen. »Dann habe ich Justin getroffen. Er hat mir Geld geliehen, immer mehr.« Ich habe mich wohl unwillkürlich umgesehen, denn er lacht nur. »Meine Eltern? Die wollen Ergebnisse sehen. Halten nicht viel von mir. Justin … ich brauchte ihn. Dann kamst du. Hätte er sein Geld verloren, wäre auch für mich der Ofen aus gewesen.« Wieder das schwere Atmen. »Habe meinen Eltern erzählt, ich wäre reich, erfolgreich. Sie sollten stolz auf mich sein. Mich endlich einmal ernst nehmen.« Seine Stimme klingt schon mehr wie er selbst. »Ist aber alles sein Geld. Justins. Dafür helfe ich ihm.«
    »Mit … Magie.«
    »Harmlose Magie. Nur Beschwörungen, das meiste klappte nicht mal. Aber dann, mit einem Mal … war er da. Das mit dem Unfall … ich wollte das nicht. Du musst mir glauben, Julia.« Jetzt flüstert er fast. Heiser. »Dein Vater sollte sich erschrecken. Es war eine Drohung. Doch er … er …«
    Und damit kommen wir zur Eine-Million-Euro-Frage. »Wer ist es?«, flüstere ich zurück.
    Erik richtet sich langsam, allmählich auf, und ich ducke mich tiefer in meinen Sessel. Wie damals vor der Schule habe ich den Eindruck, dass seine Haut

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