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Zwischen Ewig und Jetzt

Zwischen Ewig und Jetzt

Titel: Zwischen Ewig und Jetzt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marie Lucas
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machen deine Eltern so?«
    Meine Mutter sitzt in unserer Wohnung von der Größe eines Schuhkartons, tippt Rechtsgutachten und übersetzt als Zweitjob spanische Briefe. Aber natürlich sage ich das nicht. »Mein Vater war Ingenieur in Afrika«, sage ich stattdessen.
    »Jetzt nicht mehr?« Felix schiebt mein Haar hoch und küsst meinen Nacken.
    »Nein.« Ein Schauer läuft mir über die Arme und ich mache die Augen zu. Ich muss das alles nicht denken, mich nicht erinnern. Ich kann mich auch einfach fallen lassen, einfach so.
    »Warum nicht?«
    »Was?«
    »Dein Vater. Ist er nicht mehr in Afrika?«
    Obwohl meine Augen jetzt offen sind, starren sie ins Leere. Ich sehe ein Auto auf einer Landstraße, es regnet. Die verbogenen Scheibenwischer bewegen sich noch auf und ab. Die Windschutzscheibe ist zerborsten. Es blinkt, das Auto blinkt, aber man hört nichts weiter als die Wassertropfen auf dem zerbeulten Blech.
    Um wieder klar zu werden, trete ich einen Schritt zur Seite, schüttele leicht den Kopf. »Können wir vielleicht aufhören von meinem Vater zu reden, während wir … während wir …«
    Felix grinst. »Während wir was?«
    »Rummachen.«
    Er reißt gespielt die Augen auf. »Wir machen rum? Ehrlich? Dabei kennen wir uns doch noch gar nicht.«
    »Eben«, sage ich.
    Er tritt den einen Schritt zu mir, nimmt mein Gesicht in seine Hände. »Dann sollten wir uns besser kennenlernen.«
    »Richtig.«
    »Viel besser«, sagt er und küsst mich. Und küssen kann er. So gut, dass man darüber Väter, geborstene Scheiben und Afrika vergisst.
     
    »Und was macht dein Vater, Julia?«, fragt die Mutter von Felix.
    War ja klar, dass diese Frage kommen musste. »Mein Vater«, sage ich langsam, »lebt nicht mehr. Bei uns. Ich meine, ich wohne allein mit meiner Mutter.« Die erste Regel bei Lügen ist, so dicht wie möglich bei der Wahrheit zu bleiben. Aber es ist trotzdem schwer.
    Felix wirft mir einen überraschten Blick zu.
    Habe ich ihm etwas anderes erzählt?
    Felix’ Mutter, die eher wie seine ältere Schwester aussieht, zerteilt ihr Essen erst in winzige kleine Stückchen, nimmt dann die Gabel in die rechte Hand und spießt jedes einzelne Stückchen auf. Vom Reis hat sie nichts genommen. Nur Fisch und Gemüse.
    Ich gucke schamhaft auf meinen vollgeladenen Teller. Und das ist schon der Nachschlag.
    »Freut mich, dass es dir so gut schmeckt, Julia«, sagt Felix’ Vater, als hätte er meine Gedanken gelesen, und er scheint es ernst zu meinen. Er ist echt nett, trotzdem werde ich noch jedes Mal rot, wenn er mich ansieht.
    »Ja, es ist sehr lecker«, erwidere ich und nehme wieder diese unvorteilhafte Tomatenfarbe an.
    »Wie läuft es in der Schule?«, will Felix’ Vater wissen, und zuerst denke ich, er redet mit seinem Sohn. Erst als niemand antwortet, sehe ich hoch.
    »Was? Ich? Bei mir?«
    Felix’ Vater nickt. »Nun, du bist doch neu in der Klasse, dazu noch mitten im Schuljahr dazugekommen. Das kann ich mir recht schwer vorstellen.«
    »Julia ist ein Genie in Mathe, Physik und Chemie«, wirft Felix ein.
    »Ehrlich?« Felix’ Mutter starrt mich an, als hätte ich etwas Schmieriges mitten im Gesicht.
    »Naja, Genie ist natürlich übertrieben, aber ich bin ganz gut in Naturwissenschaften.« Vorsichtshalber reibe ich kurz über meine Nase.
    »Ungewöhnlich. Trotzdem«, sagt sie, lässt aber dann wenigstens das Starren. »Für ein Mädchen …«
    »Felix ist auch nicht ganz schlecht in Mathe«, meint sein Vater.
    »Felix ist in allem gut, was er tut«, entgegne ich und werde schon wieder rot. Hat sich das irgendwie zweideutig angehört? »Äh, in der Schule, meine ich. Was er in der Schule tut. Nur da. Das meinte ich.«
Das
hat sich jetzt auf jeden Fall zweideutig angehört.
    »Natürlich in der Schule. Wovon reden wir denn sonst?«, fragt Felix’ Mutter pikiert.
    Vater und Sohn sehen erst sich an und dann mich und lächeln genau das gleiche unschuldige Lächeln.
    Mein Gesicht glüht. »Es ist ganz schön heiß hier«, sage ich, um irgendetwas zu sagen.
    Gestählt von Millionen Smalltalks steigt Felix’ Mutter prompt darauf ein. »Ich finde, es ist etwas kühl für diese Jahreszeit«, kommt es automatisch.
    Felix kichert. »Ich auch«, beeilt er sich zu sagen, als er den Blick seiner Mutter sieht. »Ehrlich.«
    »Und ich erst«, sagt sein Vater, und dann brechen die zwei in Lachen aus.
    Felix’ Mutter guckt ratlos von einem zum anderen und verlangt, dass man sie über den Grund ihrer Heiterkeit aufklären möge, was

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