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Zwischen Ewig und Jetzt

Zwischen Ewig und Jetzt

Titel: Zwischen Ewig und Jetzt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marie Lucas
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ersetzen kann (Fred und Anni). Ich halte mich wie immer zurück. Und meinen toten Opa damit auch.
    Zunächst rede ich mir ein, es läge an der fehlenden Gelegenheit, aber der Dienstag kommt und geht, Felix und ich haben mehr als genug Augenblicke zu zweit, ohne dass ich etwas sage. Es ist irgendwie zu anstrengend. Es passt nicht zu meinem neuen, unbeschwerten Ich.
    Der Mittwoch ist ein weiterer Ich-verschweige-Opa-Tag. Ich muss länger bleiben, weil ich die als Konversationskurs getarnte Nachhilfe habe; Felix und die anderen aus der Clique sind schon längst zu Hause. Als es endlich klingelt, will ich das auch, nur raus hier, etwas essen. Ich bin hungrig, und ich bin abgelenkt. Stopfe Bücher in meine Tasche und überlege, ob ich mir was vom Imbiss um die Ecke hole, so dass ich Niki fast umrenne, bevor ich ihn sehe. Gerade noch rechtzeitig bleibe ich stehen. Mein Englischbuch fällt zu Boden.
    »Du hast was verloren«, sagt er und nimmt die Hände aus der Ledertasche. Er hat diese Strickmütze auf, unter der sich seine Haare hervorlocken. Das Blau seiner Augen ist fast unnatürlich.
    Während ich nichts erwidere, bückt er sich und hebt das Buch für mich auf. Ich kann mich nicht rühren.
    »Also«, sagt er und schlägt die Augen nieder, worauf ich nur denken kann, was für lange Wimpern er hat. Herrgott nochmal, was ist bloß los mit mir? »Also, ich weiß ja, wie du zu dieser Sache stehst und so, und wahrscheinlich gibt es jetzt ein riesiges Geschrei«, er wirft mir einen kurzen Blick zu, »aber es ist, wie es ist. Und ich muss es wenigstens versuchen.« Niki räuspert sich. »Also, dein Opa will mit dir sprechen.«
    »Mein Opa?« Das muss der Autoverkehr sein, der so in meinen Ohren rauscht. Er scheint ab- und anzuschwellen, wie Wellen.
    »Ja, dein toter Opa.« Wieder räuspert sich Niki, spricht jedoch nicht weiter.
    »Woher weißt du von meinem Opa?«
    »Ich sagte doch, er will mit dir reden. Er liegt bei uns zu Hause.«
    Aha, daher. »Du meinst, er wird von euch bestattet.« Ich hätte meine Mutter vor dem Niki-Bestattungsunternehmen warnen sollen. Mist. Habe überhaupt nicht mehr dran gedacht. »Daher weißt du davon.« Meine Stimme klingt höhnisch. Nichts Unnatürliches, nur ein einfacher Bestattungsauftrag, schwarz auf weiß.
    Niki schließt für einen Augenblick die Augen, so als würden sie schmerzen. »Ich will dich nicht überzeugen«, sagt er, und jetzt sieht er mich direkt an. Supermans Laserblick ist nichts dagegen. »Mir fehlt ehrlich gesagt die Kraft. Und die Geduld. Ich möchte nur, dass du kurz mitkommst und dich von deinem Opa verabschiedest. Er will das so.«
    »Ach so. Er will das so«, höhne ich. Die Verachtung, die ich für Niki empfinden kann, hilft mir. Sie schwächt das merkwürdige Verlangen, das mich bei seinem Anblick immer wieder überfällt. Mein persönliches Kryptonit gegen Superman.
    »Komm einfach mit und rede mit ihm. Und danach, das schwöre ich, musst du nie wieder ein Wort mit mir sprechen. Nicht einmal auf Englisch.« Er lächelt schief.
    Und merkwürdigerweise ist es das, was mich überzeugt. Ich muss nur mitgehen, nur einmal, und darf ihn danach hassen, so wie alle anderen auch. Ein verführerischer Gedanke. »Also gut. Ich komme mit.« Ich packe das Buch, das er mir entgegenstreckt, in meine Tasche.
    Auf dem Weg zur Bahn sprechen wir nicht, selbst nicht, als wir einsteigen. Ich setze mich auf einen Viererplatz, Niki bleibt stehen. Jemand, der uns beobachtet, könnte meinen, wir hätten nichts miteinander zu tun.
    »Wir müssen raus.« Schließlich drückt Niki den Türöffner, wartet auf mich neben der Straßenbahn.
    »Ist es weit?«, will ich wissen, nachdem ich ausgestiegen bin.
    Er zeigt quer über die Straße auf ein kleines Fachwerkhaus
. Galanis Bestattungen
steht auf einem Schild. Wir überqueren die Straße, betreten das Haus jedoch nicht: Niki biegt kurz vorher auf den Hof ab, in dem zwei Leichenwagen stehen. Ein Wegweiser zeigt links
zur Trauerhalle
, doch Niki geht nach rechts, schiebt ein Tor auf und lässt mich vorangehen.
    Erst jetzt wird mir klar, was ich da mache. Ich befinde mich in einem Beerdigungsunternehmen, in dem irgendwo mein Opa liegt. Mein toter Opa, den ich seit über einem Jahr nicht mehr gesehen habe, der aber immerhin noch mein Opa ist. Ich bleibe wie angewurzelt stehen.
    »Keine Sorge«, versucht Niki mich zu beruhigen. »Du musst ihn nicht sehen, wenn du nicht willst.«
    »Wir gehen da runter?«, frage ich und zeige auf ein paar Stufen,

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