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Zwischen Ewig und Jetzt

Zwischen Ewig und Jetzt

Titel: Zwischen Ewig und Jetzt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marie Lucas
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Gesicht, und ich kann den Ausdruck darauf nicht sehen. Er steht völlig bewegungslos. Und kurz, nur ganz kurz, glaube ich einen Schatten zu sehen. Hinter ihm. Ich starre, kneife meine Augen zusammen. Nein, das war nichts. Da ist nur Niki. Niki ganz allein.
     
    Wir gehen bowlen. Um uns abzulenken, behauptet Fred. Inzwischen hat Ablenkung das unschöne Wort Gleichgültigkeit ersetzt.
    Ich kriege diesen ganzen Bewegungsablauf nicht auf die Reihe. Dieses Anlaufen, Ducken, Loslassen. Meine Knie tun weh. Außerdem sind meine Gedanken ganz woanders. Bei Niki, natürlich, aber auch bei Vanessa. Weil ich weiß, wie es ist, einen Vater zu verlieren.
    Vanessas Vater ist tatsächlich tot. Es dauerte nicht lange, bis an die Tür geklopft wurde. Hätte er doch nur solange gewartet! Hätte Niki doch einfach gewartet, bis die Schulsekretärin Vanessa holen kam!
    »Erde an Julia, Erde an Julia.« Konrad wischt vor meinen Augen herum. Danach streicht er sich die Locken aus dem Gesicht. Sein Blick ist wie immer unergründlich. »Bist du noch bei uns, Teammitglied?«
    »Was? Bin ich dran?« Ich erhebe mich, gehe zum Kugelauswurf und suche mir eins dieser pink schimmernden Riesendinger aus. Versuche, mich zu konzentrieren.
    Vanessas Leben, zumindest das, was sie einmal kannte, ist zu Ende. Und wir haben nichts Besseres zu tun, als den Nachmittag auf der Bowlingbahn zu verbringen!
    Ich hole tief Luft, laufe ungeschickt los, neige mich aber wenigstens etwas zum Boden, bevor ich loslasse. Dennoch ist das Dröhnen der Kugel nicht zu überhören. Die Kugel wabert unschlüssig über die Bahn, droht abzustürzen, überlegt es sich dann anders und wirft halbherzig drei Kegel um.
    Konrad stöhnt. »Mach nur so weiter. Dann verlieren wir auf jeden Fall.«
    »Das tun wir nicht.« Fred boxt ihn. »Los, Julia. Zeig’s ihnen!«
    Also das Ganze noch einmal von vorne. Kugel hoch, Ziel angepeilt, irgendwann aus einer Höhe losgelassen, die dem Besitzer der Bahn sicher Schweißperlen auf die Stirn treibt, dann dem Schlingern zugesehen und … Niete.
    Ich drehe mich um und zucke mit den Schultern.
    »Daneben!«, ruft Anni triumphierend.
    »Hoffnungslos.« Felix kommt zu mir und küsst mich. »Du bist einfach nicht fürs Pins-Umschubsen geschaffen.«
    »Hey, ihr da«, ruft Maximilian zu uns herüber. »Keine Verbrüderung mit dem Feind.«
    Sie sind alle guter Stimmung, woran das Bier nicht ganz unschuldig sein dürfte. Ich trinke Cola, weil meine Mutter Alkohol drei Meilen gegen den Wind riechen kann. Und es ist noch nicht einmal sechs: »Early-Bird-Tränke« hat Maximilian das genannt.
    Felix wirft einen Strike, oder wie das heißt. Er reißt die Arme hoch und jubelt. Maximilian und Anni klatschen ihn ab, bevor er sich wieder auf die Bank uns gegenüber setzt.
    »Du darfst nicht auf die Pins sehen«, erklärt Konrad mir zum wiederholten Mal. »Konzentrier dich auf die Pfeile auf der Bahn. Und da auf den dritten, um Himmels willen. Du kannst doch bis drei zählen?«
    »Ich weiß nicht so recht, Konrad«, erwidere ich mit einem gespielten Augenaufschlag. »Eins, zwei … und was kam dann nochmal?«
    »Das sagt ausgerechnet unser Mathegenie«, grummelt Konrad. Dann ist er an der Reihe.
    »Mach dir nichts draus.« Fred rückt neben mich. »Er ist einfach übertrieben ehrgeizig.«
    »Das habe ich gehört«, entgegnet Konrad von der Bahn her, bevor er sich die Bowlingkugel vor Augen hebt.
    »Ich weiß auch nicht«, sage ich entschuldigend. »Irgendwie kann ich mich nicht so recht konzentrieren heute.«
    »War ja auch einiges los. Erst die Niki-Show, dann der Streit auf dem Schulhof …«
    Ein paar Jungs aus unserer Klasse waren in der Pause auf Niki losgegangen. Verprügelt hatten sie ihn nicht, aber bedrängt. Beschimpft, beleidigt, irgendetwas in der Art. Konrad war auch darunter gewesen, soviel ich weiß. Ich hatte nichts davon mitbekommen, weil ich vor dem Lehrerzimmer warten musste, bis Vanessa endlich abgeholt wurde. Ich hatte ihre Sachen.
    »Strike! Nein, Mist. Doch nicht.« Fred hibbelt auf ihrem Sitz umher. »Los doch, die beiden Letzten schaffst du.«  
    »Dass Vanessas Vater gestorben ist, ist nicht Nikis Schuld.«
    »Was?« Freds graugrüne Augen richten sich auf mich.
    »Er ist doch nur der Bote.«
    »Der Todesbote, solltest du besser sagen. Warte …« Sie streckt die Hand aus, ihr Blick ist starr auf die Bahn gerichtet. »Ja, der kommt noch, kommt noch … Ja!« Sie springt wieder auf und reißt die Arme hoch. »Spare, wer sagt’s

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