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Zwischen Ewig und Jetzt

Zwischen Ewig und Jetzt

Titel: Zwischen Ewig und Jetzt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marie Lucas
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macht man sich beliebt.
    Ich stelle das Wasser ab, lehne meinen Kopf an die Wand hinter mir. Und fühle mich einsam.
    »Also«, flüstere ich, und die Fliesen verleihen meiner Stimme einen gespenstischen Hall, »hier bin ich. Tu doch was. Sag mir, was du willst. Schreib’s an den Spiegel oder so.« Obwohl: Dann könnte man mich sicherlich in der Klapsmühle einliefern, wenn jetzt gegen den Spiegel gehaucht und da was reingeschrieben wird. Dann bin ich erledigt.
    Stattdessen klopft es, und ich zucke so sehr zusammen, dass mein Hinterkopf schmerzhaft gegen die Wand hinter mir schlägt. Das war allerdings nicht der Geist.
    »Ich komme nicht raus«, schreie ich.
    »Ich bin’s.«
    Niki!
    Ich habe so eine Sehnsucht nach ihm. Er ist der Einzige, der mich versteht – das allerdings im wahrsten Sinne des Wortes. Er versteht zu viel, nein, es geht nicht. Ich muss da alleine durch.
    Es ist, als hätte er mich gehört. »Ich gehe nicht weg«, kommt es prompt von der Tür her.
    Mein Widerstand stand eh auf tönernen Füßen. Tränenblind erhebe ich mich, merke erst jetzt, dass mir der Po und ein Fuß eingeschlafen sind, es kribbelt überall. Ich muss wirklich großartig aussehen. Ist auch egal. Der Geist wird mich früher oder später kriegen, und da nützt auch gutes Aussehen nichts. Das ist ja schließlich die erste Lektion, die man aus Horrorfilmen lernt.
    Ich schließe die Tür auf.
    Niki sitzt im Türrahmen. Er steht auf, während ich wieder reingehe, kommt mir nach und macht die Tür hinter sich zu. Er schließt nicht ab. »Sie werden uns nicht stören. Sind alle in der Küche.«
    So eine Heldin bin ich nicht: Ich möchte mich ihm in den Arm werfen, mich trösten lassen, hören, dass alles gut wird. Dass wir die Stimme fertigmachen, aber noch ist sie es, die ihn fertigmacht: Ich sehe es an der schmerzverzerrten Art, wie er mich ansieht. Verdammt. Also nicke ich nur, humpele zum Klo und setze mich auf den Deckel.
    »Hast du dir was getan?«, fragt Niki.
    »Fuß eingeschlafen«, erkläre ich.
    Niki kommt nicht näher. Er lässt sich an der Tür herunterrutschen und sitzt jetzt wieder auf dem Boden. »Was ist passiert?«, will er wissen.
    »Was hat Felix gesagt?« Denn dass Felix ihn angerufen hat, steht ja wohl außer Frage.
    Niki lächelt schwach. »Die Wahrheit. Dass du dich auf Annis Klo eingeschlossen hast und dich niemand rausholen kann. Niemand außer ich.«
    »Das hat er gesagt?«
    »Yep.«
    »Na super.« Mit einer Menge Klopapier putze ich mir geräuschvoll die Nase. »Die Stimme ist nicht länger nur eine Stimme. Sie hat einen Computerkurs besucht.« Ich knülle das Papier zusammen und stehe kurz auf, um es wegzuspülen. »Im Wohnzimmer stand ein Laptop. Darauf stand: Ich sehe dich, blablabla, ich sehe dich überall. Gezeichnet: Geist.«
    Niki lächelt pflichtschuldig. »Hat das wirklich jemand unterschrieben?«
    Ich schüttele den Kopf. Werde ernst. »Nein. Da stand nur:
Ich sehe dich, ich sehe dich überall.
Ach ja: Und mein Name. Gleich dreimal, um auf Nummer Sicher zu gehen.«
    Niki schließt kurz die Augen, reibt sich die Stirn. »Ich kann mir das einfach nicht vorstellen. Also, dass eine Tote wirklich auf etwas so stark Einfluss nehmen kann.«
    »Gerade du kannst dir das nicht vorstellen? Und die Bücher?«
    »Welche … Ach so, das bei Alice. Ich hab ehrlich gesagt gar nicht mitgekriegt, dass da Bücher umgefallen sind.«  
    »Ja, eben. Vielleicht sollte dir das auch mal zu denken geben. Und wenn du schon dabei bist, dann überleg doch bitte, woher es kommt, dass die Stimme dir fast den Kopf wegsprengt? Auch jetzt tut sie das: Ich kann es sehen.«
    Niki hebt die Hände. »Überlegen und Kopf wegsprengen schließen sich gegenseitig aus, meinst du nicht? Und überhaupt: So schlimm ist es im Moment gar nicht.«
    »Schlimm genug.« Schlimm genug, dass er es kaum aushalten kann, in meiner Nähe zu sein. Schlimm genug, dass er mich nicht berühren darf.
    »Ich sage dir, was wir tun werden«, sagt Niki. »Ich werde morgen – noch heute, wenn es sein muss – mit einem der Leute unten in unserem Keller reden. Einem der Verstorbenen. Rausfinden, ob sie tatsächlich etwas anfassen oder irgendwie beeinflussen können. Das einzige Problem ist nur …«
    »Was?«
    »Sie sind noch nicht lange tot. Und haben keinerlei Erfahrung im Totsein. Und ehrlich gesagt sind die meisten auch nicht scharf darauf, viel Auskunft darüber zu geben. Die, die reden, wollen etwas erledigt wissen, bevor sie gehen. Fragen blocken sie

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