Zwischen Ewig und Jetzt
oder trinken will: steht alles in der Küche«, sagt Anni, legt die Fernbedienung weg und deutet in die Richtung.
»Wollen wir uns was holen?«, fragt Felix, der mein Unbehagen spürt. »Gerne.« Ich stehe erleichtert auf. Alles ist besser, als einen über siebensekündigen Mord mit ansehen zu müssen.
Die Küche gleicht in gewisser Weise der von Felix’ Eltern: Sie ist ebenso offen gestaltet mit einem großen Arbeitsblock in der Mitte, weißen Schränken mit goldenen Griffen ringsherum und einem riesigen, unbenutzt aussehenden Kochfeld. Anni hat soviel Essen und Getränke aufgebaut, dass davon getrost eine Armee satt werden könnte, und ich probiere abwechselnd Lachshäppchen, Chips, asiatische Röllchen und Kartoffelsalat im Glas.
»Was meinst du«, nuschele ich, weil ich noch kaue, »hat sie das alles selber gemacht?«
Felix grinst. »Sagen wir es mal so: Wenn das so sein sollte, dann haben sie und meine Mutter haargenau dasselbe Kochbuch.« Er zeigt auf Servietten mit dem Aufdruck
Partyservice Meyer
.
»Ganz schön viel Aufwand nur für uns.« Ich angele mir ein klitzekleines Würstchen auf einem Spieß.
»Nein. Aufwand wäre es gewesen, es selber zu machen.« Felix dreht mich zu sich um. Er lehnt an der Spüle, sieht mir in die Augen. »Und? Alles in Ordnung?«
Ich schlucke. »Naja. Die Filmauswahl finde ich nicht so prickelnd.« Suchend sehe ich mich nach einem Mülleimer für meinen Spieß um.
Felix nimmt ihn mir ab und wirft ihn hinter sich ins Waschbecken. »Wir müssen …«, er küsst mich …, »diesen Film …« und er küsst mich wieder, »nicht sehen.«
»Ach nein? Ist das nicht unhöflich?«
Anstatt zu antworten dreht er sich um, hebt mich hoch und setzt mich auf die Anrichte. Jetzt bin ich ein wenig größer als er, kann auf ihn runtergucken. »Ich hatte den Eindruck, Maximilian und Fred verziehen sich auch bald. Und Anni hätte sicher nichts dagegen, mit Konrad mal einen Augenblick lang allein zu sein.«
»Mit Konrad und Freddy.«
»Der macht wahrscheinlich auch mit.« Felix lächelt mich an. Seine graublauen Augen sind warm. Dann küssen wir uns. Lange, intensiv, während seine Hände unter mein Shirt wandern, ich meine Beine um ihn schlinge …
»Ähem. Müsst ihr es ausgerechnet in der Küche treiben? Hier sind noch andere, die Hunger haben.« Konrad natürlich, wer auch sonst.
»Bedien dich«, murmelt Felix und knabbert an meinem Hals.
»Nein danke. Mir ist gerade der Appetit vergangen. Und apropos Appetit: Ihr verpasst ja alles. Freddy ist schon aufgetaucht. Und er war nicht gerade in Schmuselaune.«
Felix lässt mich los, zwinkert mir zu. »Lust auf blutiges Gemetzel?«
Ich schüttele vehement den Kopf.
»Dann warte hier.«
Er verschwindet, lässt mich allein mit Konrad, der sich nun doch etwas Essen auf einen Teller häuft. »Tja, du verpasst was.«
»Ich steh nicht so auf Horror.«
»So?« Konrad wendet sich mir zu. Seine dunklen Locken fallen ihm tief in die Augen. »Da habe ich was anderes gehört.«
Ich will gar nicht wissen, was er gehört hat.
Natürlich tut mir Konrad den Gefallen nicht und sagt es mir trotzdem. »Du und Niki Gruft: Ihr scheint euch recht nahe zu stehen.«
»Hatten wir das Thema nicht schon?«, frage ich eisig. Ich lasse mich von der Spüle gleiten und hole mir eine Cola.
»Nun«, sagt Konrad, »wir hatten die zensierte Version. Aber wie du ja weißt: Ich stehe eher auf das Original. Auch wenn es noch so grausam ist.«
Wir starren uns an.
Felix kommt zurück. »So, alles klar, wir können …« Erst dann fällt ihm die Spannung zwischen Konrad und mir auf. »Ist irgendwas? Gibt es ein Problem?«
Abrupt dreht Konrad sich weg und schaufelt eine Handvoll asiatische Chips auf seinen ohnehin übervollen Teller. »Nein, nichts. Wir haben uns nur über den Unterschied zwischen der ungeschnittenen und der geschönten Version von Horrorstreifen unterhalten.«
Felix nimmt mir die Cola aus der Hand, stellt sie ab und greift nach meiner Hand. »Wie auch immer«, sagt er, »wir gehen. Freddy kann uns mal.«
»Ich kann mich an Zeiten erinnern, da bist du voll abgefahren auf diese Filme«, ruft Konrad uns nach.
Felix lacht nur. Mir raunt er zu: »Voll abfahren trifft es. Auf dich. Ich fahre voll auf dich ab.« Übermütig zieht er mich mit sich.
»Wohin gehen wir?«
»Überraschung. Keine Angst: Ich habe die Erlaubnis der Hausherrin.«
Ich lasse mich mitziehen und kann mich gleichzeitig nicht sattsehen an den Bildern, die hier im Flur
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