Zwischen Ewig und Jetzt
er gesagt, da er ohnehin nur das Nötigste mit meinem Freund bespreche. Mir ist das nur recht so. Ich will nicht noch mehr Diskussionen über diesen Geisterkram oder meine angebliche Besessenheit. Ich habe es übrigens noch einmal kontrolliert: Felix ist die Nummer Eins bei meinem Kurzwahlspeicher, Niki Nummer Zwei. Ich hätte schwören können, dass ich die Eins gedrückt habe, aber es war auch schwierig, die Tasten durch die dicke Jeansjacke zu fühlen. Außerdem stand ich ziemlich unter Stress.
Den Rest der Woche über passiert nicht viel. Kommenden Freitag haben wir frei, und die Clique will nach Berlin fahren. Annis Bruder Erik nimmt sie mit, also haben sie einen »Erwachsenen« dabei. Keine Frage, dass ich nicht mit kann, also versuche ich es auch gar nicht groß. Selbst wenn ich meine Mutter anlügen würde – das müsste schon eine verdammt gute Lüge sein. Zudem fehlt mir das nötige Kleingeld. Felix und die anderen werden eine Nacht im Hilton wohnen, »da ist man so schön mittendrin«. Erik scheint meine Absage mit mehr Bedauern aufzunehmen als Felix, zumindest lässt Anni mir ausrichten, dass ihr Bruder »schwer enttäuscht« sei.
Felix ist auch nicht gerade glücklich, aber irgendwie erleichtert. Die ganze Woche über gehen wir so vorsichtig miteinander um, dass er wohl auch ein wenig froh ist, sich mal wieder normal benehmen zu können.
Ich auf jeden Fall bin es. Dieser Eiertanz ist anstrengend.
Möchtest du das tun? Nein, sag ruhig. Ich mache das, was du willst. Wenn du meinst … nein du …
Nicht auszuhalten. Aber wir kommen nicht raus. Schaffen es irgendwie nicht. Am meisten fehlt mir, glaube ich, einfach mal wieder mit ihm lachen zu können. Am besten noch über diese fürchterliche Show, die wir gerade abziehen.
Nur einmal, Mittwoch, als wir uns in seinem Zimmer leise und hastig lieben, während seine Eltern unten fernsehgucken, kommen wir uns noch nah. Um gleich danach, noch während wir nackt und schweratmend nebeneinander liegen, schon wieder nach Worten zu tasten.
Donnerstagabend gehen wir noch mal mit der Clique aus, erst Pizzaessen und anschließend ins Kino. Das heißt: Die Jungs und ich essen Pizza. Anni knabbert an ihrem Salat. Fred behauptet, sie hätte schon gegessen, und stürzt sich dann auf die vom Käse unbefleckte Pizzakruste, die wir übrig lassen. Der Film ist ganz nett, wenigstens spielt Jude Law mit. Mitten im Film passiert es dann, und ich sitze kerzengerade auf meinem Sitz. Mir ist etwas eingefallen. Etwas, was Justin gesagt hat.
»Was ist denn?«, flüstert mir Felix zu.
»Nichts«, flüstere ich zurück. »Muss mal.« Ich drängele mich mit vielen geflüsterten Entschuldigungen aus der Reihe und stürze aufs Klo. Werfe mir Wasser ins Gesicht und starre mich großäugig im Spiegel an. Das kann doch … das kann doch nicht sein, oder? Ein fürchterlicher Verdacht hat sich mir aufgedrängt, und ich muss mich regelrecht zwingen, zurück in den Saal und auf meinen Platz zu gehen. Danach bin ich völlig abwesend. Das merkt Felix sofort, der irgendwann meine Hand loslässt. Wir verabschieden uns ziemlich kühl voneinander. Ich wünsche ihm eine gute Fahrt.
Freitagmorgen schaffe ich es kaum, in Ruhe zu duschen und meine Haare zu föhnen, so nervös bin ich. Wieder und wieder geht mir Justin im Kopf herum. Das wenige, was er mir gesagt hat und von dem ich immer noch nicht alles verstehe. Ich begreife zum Beispiel immer noch nicht, wie er von Niki erfahren hat. Wie er mich vor ihm warnen konnte. Aber etwas scheine ich doch verstanden zu haben. Eine Bemerkung, Justins Gesichtsausdruck, der schwarze Anzug … Ich schminke mich hastig und steche mir fast ein Auge aus bei dem Versuch, mir die Wimpern zu tuschen. Dann schlüpfe ich in meine Jeans und ziehe ein T-Shirt über.
»Wollen wir ein paar Schritte gehen?«, fragt Niki, bei dem ich kurze Zeit später vor der Tür stehe. Er zieht gerade seine Lederjacke an, obwohl draußen das schönste Sonnenwetter ist. »Ich muss das hier noch einwerfen.« Niki hält einen Umschlag hoch, auf dem
Trauerhaus Funke
steht.
»Ist gut. Klar.« Ich denke immer noch nach, muss meine Theorie überprüfen. Fühle mich aufgekratzt und merkwürdig abgebrüht zugleich. »Was ist das eigentlich?« Ich zeige auf den Umschlag, als wir losgehen.
»Herr Funke muss was geradebiegen. Er will seinen Enkeln sagen, wo sie seine Rolex finden können. Anscheinend hat er sie zu gut versteckt.«
»Ach so.« Ich bin nervös, weiß nicht, wie ich
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