Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Zwischen Ewig und Jetzt

Zwischen Ewig und Jetzt

Titel: Zwischen Ewig und Jetzt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marie Lucas
Vom Netzwerk:
»Julia. Das ist eine Überraschung. Vor allem nach unserem letzten … äh, Zusammentreffen.«  
    »Ja, ich weiß. Justin, hör zu«, sage ich schnell, bevor ich mich entweder übergebe oder auflege. »Kann es sein, dass deine Mutter gestorben ist?«
    Wieder die kurze Pause. »Was?«
    Ich schließe die Augen. »Deine Mutter. Ist sie tot?«
    »Das ist jetzt … also, das ist jetzt wirklich …« Er überlegt wohl, was er antworten soll. »Ja, sie ist tot. Herrgott nochmal, was soll das? Du rufst mich an, um zu fragen, ob meine Mutter tot ist? Ist das wieder so ein Trick? Willst du damit …«
    »Und beerdigt?«
    »Was?«
    »Ist sie schon beerdigt?« Ich zähle langsam, höre die Sekunden verstreichen. Bete, dass er jetzt nicht auflegt.
    Justin atmet schwer: Ich kann ihn deutlich hören.
    »Du hast gesagt, ich bin die Einzige, die noch zu dir gehört. Du hast gesagt, das sei der Hohn.« Meine Augen sind immer noch zu. Ich sitze hier in einem Gestank aus Toilette und Kaffee und rede mit meinem Halbbruder, der mich entführt hat, über seine tote Mutter, die mich verfolgt. Das ist tatsächlich nichts, woran ich wirklich glaube. Ich tue es einfach.
    »Nein«, sagt Justin zögerlich, »das ist sie nicht. Ich habe sie in Holland einäschern lassen und kann sie erst später bestatten lassen, weil mir was dazwischengekommen ist. Warum? Willst du mir jetzt dein Beileid aussprechen? Etwa zur Beerdigung kommen?«
    Ich beiße mir auf die Unterlippe.
    »Selbstverständlich nicht.« Er lacht bitter. »Also, was willst du?«
    Ich will, dass sie verschwindet. Dass sie uns in Ruhe lässt, aber natürlich sage ich das nicht. »Was denn?«, frage ich leise. »Was ist dir dazwischengekommen?«
    Wieder das bittere Lachen. »Du, Julia. Du und das, wonach du suchst.«
    »Meine Vergangenheit. Meine Familie.«
    »Die hattest du nie. Alles, was du hattest, war eine Lüge.«
    Auf einmal fällt mir etwas ein. »Justin?« Ich mache die Augen auf, ohne etwas zu sehen. »Wie lange hat sie es eigentlich gewusst? Wie lange hat deine Mutter von mir gewusst?«
    Es wird lange ruhig am anderen Ende, und ich denke schon, er hat aufgelegt, als Justin doch noch antwortet. »Schon immer. Sie wusste schon immer von dir.«
    »Und wann hat sie dir davon erzählt?«
    Ich kann ihn schwer atmen hören.
    »Gar nicht, nicht wahr? Du hast es alleine herausgefunden. Sie hat dir nichts von mir gesagt. Und was macht das dann aus deiner Vergangenheit? Deinem Leben?«
    Er legt auf. Jetzt legt er auf.
    »Es tut mir leid«, flüstere ich in den toten Hörer. »Es tut mir wirklich und wahrhaftig leid.« Und dann lehne ich mich an Niki, der seinen Arm um mich legt, und weine. Und dieses eine Mal weine ich nicht nur um mich.

10 . Kapitel
    F elix benimmt sich, als hätten wir uns Wochen nicht gesehen. Als hätte es unseren Streit um Geister, Niki und Besessenheit nie gegeben: Er kommt noch Sonntag vorbei, reißt mich an sich und küsst mich stürmisch. »Ich hab dir etwas aus Berlin mitgebracht, meine Schöne.«
    Ich muss lachen. »Das will ich auch hoffen, nach der langen Abwesenheit.«
    »Eine Ewigkeit«, raunt er mir ins Ohr. Er präsentiert mir ein kleines Kästchen. In dem ein einziges Schmuckelement an einer geflochtenen Lederkette hängt: Es ist eine kleine, goldene Rolle voller eingestanzter Herzen und einem einzigen, funkelnden Edelstein.
    »Felix«, hauche ich, »ich hoffe für dich, dass der Stein nicht echt ist.«
    »Gefällt es dir?«
    »Es ist wunderschön.«
    Felix lacht. Er setzt sich hinter mich, legt mir die Kette um und küsst meinen Hals. »Irgendetwas passiert, während ich weg war?«
    »Nein, gar nichts«, murmele ich und drehe die kleine Rolle. »Langeweile pur.« Jetzt ist wirklich nicht der Zeitpunkt, um ihn von dem Geist von Justins Mutter zu erzählen. Ich kann mir lebhaft vorstellen, wie er bei »Niki« und »Geist« in einem Satz reagieren wird.
    »Möchtest du noch ein Brötchen, Felix?«, fragt meine Mutter, die hereinkommt und unsere Teller abräumt.
    »Nein, danke«, sagt Felix.
    »Das hätte ich doch machen können«, murmele ich und winde mich verlegen aus Felix Armen.
    »Nein, nein, lass nur, bleib nur sitzen. Ich muss eh noch die Küche aufräumen.« Sie lässt uns allein.
    »Und was machen wir beiden Hübschen mit unserem angebrochenen Abend?« Felix setzt sich nach vorne neben mich, strahlt mich an.
    Wie immer kann ich diesem Lächeln nicht widerstehen. »Wir gehen aus, tanzen die ganze Nacht und schwänzen morgen die

Weitere Kostenlose Bücher