Zwischen Krieg und Terror
Kreuzes genutzt, um nach Familienangehörigen zu forschen, die sie seit dem Krieg gegen den Iran vermissen. Hunderte von Ingenieuren und Technikern arbeiten seit Jahren im Auftrag des IKRK an der Verbesserung der Versorgung der irakischen Bevölkerung. Sogar während des Krieges im März und April hatten mehrere internationale Mitarbeiter in dem Gebäude ausgeharrt. Bei den Angriffen auf Bagdad wurde ein Rotkreuzfahrzeug beschossen, ein irakischer Mitarbeiter getötet. Das IKRK gilt im Irak als neutral und hat einen ausgezeichneten Ruf. Deshalb war es für die Terroristen umso wichtiger, auch die ausländischen Angehörigen dieser Organisation zu vertreiben. Auch wenn das Schweizer AuÃenministerium Stunden nach dem Terroranschlag betont, die Arbeit im Irak solle fortgesetzt werden, erklärt Delegationsleiter Pierre Gassmann noch am Nachmittag, der internationale Mitarbeiterstab werde reduziert. 3 Am nächsten Tag werden die ersten Delegierten ausgeflogen. Schrittweise stellt das IKRK die Arbeit im Irak ein. In Jordanien stationierte Delegierte versuchen, eine Art Notbetrieb aufrechtzuerhalten.
Hinter den Anschlägen auf die jordanische Botschaft sowie auf die Zentralen der UN und des IKRK zeichnet sich deutlich eine genau durchdachte Strategie des Terrors ab. Alle Versuche, die Aufbaubemühungen im Irak zu internationalisieren, sollen verhindert werden. Bewusst halten sich die Planer der Anschläge im Hintergrund, weil sie genau wissen, wie unpopulär ihre Taten sind. Gleichzeitig wird aber erkennbar, dass neben Hunderten kleiner Widerstandszellen und Dutzenden von Untergrundorganisationen ein Geflecht des Terrors entstanden ist, das ohne Weiteres dazu fähig ist, die politische Entwicklung im Irak zu beeinflussen. US-Offiziere und die mit den Besatzungsbehörden zusammenarbeitenden irakischen Politiker machen »ausländische Kämpfer« für die Anschläge verantwortlich. Tatsächlich werden mehrfach Ausländer bei Attentatsversuchen festgenommen. Am Tag des Anschlags auf das IKRK soll es ein Syrer gewesen sein, der nach Aussagen eines US-Generals vorhatte, eine fünfte Polizeistation in die Luft zu jagen. 4 Ãber die Hintermänner dieser Fanatiker gibt es dennoch nur Spekulationen. Anhänger des gestürzten Regimes halten Ezzat Ibrahim Al Duri, Saddam Husseins Stellvertreter, für den Kopf des Terrornetzwerks. Ihm sei solch eine brutale Vorgehensweise zuzutrauen, da er Ende der achtziger Jahre auch die Angriffe mit chemischen Waffen auf kurdische Dörfer befohlen hatte. Damals hatte Saddam Hussein sein Reich kurze Zeit zuvor in vier Militärzonen aufgeteilt und Al Duri das Kommando im Norden übertragen. Andere machen Saddam Hussein persönlich für die Terrorakte verantwortlich. Bei seiner Festnahme wenige Wochen später werden Dokumente unterschiedlichster Art gefunden. Hinweise aber, dass er oder Al Duri die Terroristen steuern, fehlen. Verdächtigt werden vor allem Al Kaida nahe stehende Gruppen, denen es gelungen ist, Hunderte von Ausländern für ihre Sache zu organisieren.
Neben den vor den amerikanischen Truppen in den Nordirak geflohenen Mitgliedern der Fedajin-Verbände sind es in erster Linie Freiwillige aus arabischen Staaten, die aus religiösen Motiven gegen Koalitionstruppen kämpfen wollen. Sie haben sich mehrheitlich den unterschiedlichen Terrorbrigaden angeschlossen, die unter dem Einfluss des Jordaniers Abu Mussab Al Zarqawi stehen. Dieser entwickelt sich binnen Wochen zu einem Phantom der Terrorszene. Gerade die Anhänger Saddam Husseins behaupten, als Jordanier werde Zarqawi von der US-PROPAGANDA zum Hauptfeind hochstilisiert, um den irakischen Widerstand wie aus dem Ausland gesteuert erscheinen zu lassen. Möglicherweise sei Zarqawi bereits bei den Angriffen Ende März getötet worden, lebe also gar nicht mehr.
Etwa 200 Mitglieder der »Ansar al Islam« werden bei Angriffen der US-Luftwaffe, einer Bodenoffensive amerikanischer Spezialeinheiten und 10 000 Kämpfer der Patriotischen Union Kurdistans getötet. Zarqawi flieht mit den Ãberlebenden in den Nordwesten Iraks, wo ihm das Machtvakuum nach dem Sturz Saddam Husseins und die Ablehnung der US-Truppen dort gelegen kommt, um verschiedene Stützpunkte zu errichten. Anders als in den Bergen Kurdistans findet er sich in der Wüste zurecht und wird als Mitglied des Stammes der Bani Hassan von den Sunniten sofort akzeptiert. Sie sehen
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