Zwischen Krieg und Terror
Regimes, werden verantwortlich gemacht. Sie hätten sich am jordanischen Königshaus wegen dessen enger Zusammenarbeit mit den USA rächen wollen.
Gründe genug gäbe es. SchlieÃlich haben Spezialeinheiten des arabischen Nachbarlandes zusammen mit US-Kommandos bereits vor dem offiziellen Beginn des Angriffs in den Wüstenregionen Westiraks verdeckt Geheimaufträge ausgeführt. Zudem waren seit Jahren viele Exiliraker in der jordanischen Hauptstadt Amman von amerikanischen Agenten für den Kampf gegen Saddam Hussein angeworben worden.
Gleichzeitig werden Vermutungen laut, einer der mit den US-TRUPPEN ins Land gekommenen irakischen Exilpolitiker habe sich an Jordanien rächen wollen. Ahmad Chalabi, der Vorsitzende des Irakischen Nationalkongresses und von US-Zivilverwalter Garner für ein Spitzenamt im neuen Irak vorgesehen, wird in Jordanien als Bankbetrüger mit Haftbefehl gesucht. Folgt man dieser Argumentation, so handelt es sich um eine Tat mit persönlichen Motiven, für die antijordanische Ressentiments im Irak genutzt werden. Denn viele Iraker sprechen sich für die Ausweisung aller Jordanier aus ihrem Land aus, da sie selbst im benachbarten Königreich so schlecht behandelt worden seien. 300 000 Unterschriften seien für diese Forderung bereits gesammelt worden, berichtet El Jom Al Achir , eine von vielen Zeitungen, die nach dem Sturz Saddam Husseins gegründet worden sind. 1
Zwölf Tage später erscheint die Tat in einem anderen Licht. Ein Selbstmordattentäter steuert einen mit Sprengstoff beladenen Lastwagen in das UN-Hauptquartier - 23 Menschen sterben, unter ihnen Vieira de Mello, der Sonderbotschafter der Vereinten Nationen für den Irak. Bei diesem Anschlag sind die Motive leichter zu erkennen: Eine Internationalisierung des Wiederaufbaus Iraks soll verhindert werden. Mittels einer Resolution des Sicherheitsrats sind die Weichen für eine Zusammenarbeit zwischen den Vereinten Nationen und der vom US-VERTEIDIGUNGSMINISTERIUM organisierten Ãbergangsverwaltung für den Irak gestellt. Mehrfach hatten deren Chef Bremer und der ermordete UN-Vertreter de Mello in den Tagen zuvor über Möglichkeiten dieser Zusammenarbeit gesprochen. 2
Vor Ort waren die USA und die Vereinten Nationen gerade dabei, ihr durch den amerikanischen Alleingang bei dem Angriff auf den Irak gestörtes Verhältnis etwas aufzupolieren. Für die Besatzer hatte sich damit eine Chance aufgetan, ihre zunehmende Isolation in der Bevölkerung - weil es ihnen nicht gelungen war, die Sicherheitsprobleme in den Griff zu bekommen und die lebenswichtige Infrastruktur, wie Strom-, Wasser- und Abwasserversorgung, wiederherzustellen - zu überwinden. De Mello hatte erkannt, wie notwendig es war, das während Jahren gewachsene Vertrauen der Bevölkerung in die UN-Organisationen in dieser für die Entwicklung Iraks entscheidenden Phase in die Waagschale zu werfen. Mit dem Terroranschlag wurde diese Perspektive gezielt zunichte gemacht. Generalsekretär Kofi Annan beordert die nichtirakischen Mitarbeiter der Vereinten Nationen aus dem Land ab. Damit wird es für die Amerikaner noch schwerer, aus ihrer politischen Isolation im Irak auszubrechen und erfolgreiche Aufbauarbeit zu leisten. Die Präsenz der Vereinten Nationen im Irak verringert sich mit jedem Monat, da den lokalen UN-Beschäftigten ohne das aus dem Ausland stammende Kadergerippe quasi die Hände gebunden sind.
Zweieinhalb Monate später erbringen die Terroristen einen weiteren Beweis für ihre Heimtücke und ihre politischen Absichten. In Bagdad gehören Terroranschläge inzwischen bereits zum Alltag. Autobomben explodieren vor Hotels und Polizeistationen. Am 27. Oktober 2003 verüben Selbstmordattentäter innerhalb einer Stunde fünf Anschläge. Vier von ihnen richten sich gegen Polizeistationen. Insgesamt sterben mindestens 38 Menschen, 200 werden mit schwersten Verletzungen in Krankenhäuser eingeliefert. Der fünfte Anschlag gilt der Zentrale des Internationalen Komitees des Roten Kreuzes (IKRK). Ein mit Sprengstoff beladener Krankenwagen durchbricht die Sicherheitssperren vor der alten Villa, die schon seit Jahren vom IKRK genutzt wird. Beim Aufprall auf die Begrenzungsmauer explodiert das Fahrzeug. Zehn Menschen kommen bei der Explosion um, das Gebäude wird weitgehend zerstört.
Iraker kennen die IKRK-Zentrale in Bagdad sehr gut. Zehntausende haben den Suchdienst des Roten
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