Zwischen Licht und Dunkel
entgegen der sonst üblichen Praxis die ersten Standard- Impfungen für ihr Neugeborenes aus eigener Tasche bezahlen.
Der Kindergartenplatz ließe sich notfalls eine Zeit lang verschmerzen, aber die Absicherung im Krankheitsfall! Die kennitala ist nämlich vor allem auch der Schlüssel zu Islands staatlichem Sozialversicherungs- und Gesundheitssystem. Krankenversicherung, Krankengeld, Kindergeld, Arbeitslosengeld, Rentenzahlungen … Ohne die berüchtigten zehn Ziffern wird nichts daraus. Anfangs ließ ich mich davon irritieren, dass es gesetzliche Krankenkassen nach deutscher Tradition nicht gibt – AOKs oder Barmer Ersatzkassen etwa. Immer wieder lag ich Stefán damit in den Ohren, ich müsste mich doch endlich bei einer Krankenkasse anmelden. Deren Funktion übernimmt auf Island das Staatliche Versicherungsamt. Es finanziert sich mit einem Teil der Steuern, die von den Bruttogehältern der Verdiener abgeführt werden. Und selbst wer zum Beispiel als Leiterin eines eigenen Familienunternehmens als Hausfrau und Mutter für eine Weile auf dem Arbeitsmarkt „unsichtbar“ ist, genießt im Krankheitsfall die nötige Absicherung.
Allerdings muss der isländische Neubürger erst einmal ein halbes Jahr nach seiner Registrierung überstehen, bis dieses System greift. „Wie lange bist du denn schon hier?“ war deshalb die erste Frage, als ich mich telefonisch zur Schwangerschaftsvorsorge anmeldete. Natürlich hatte die Dame am anderen Ende der Leitung an meinem Akzent gemerkt, dass ich keine gebürtige Isländerin sein konnte. „Zwei Jahre.“ „Gut, dann übernimmt der Staat die Kosten für die Untersuchungen.“ Trotzdem musste ich auch vorher nicht bangen: Denn das erste halbe Jahr nach der Erfassung im System ließe sich mit dem Formular E-104 überbrücken, klärte mich seinerzeit ein Mitarbeiter jenes Staatlichen Versicherungsamtes auf. Dieses Anrecht hätte ich, als Bürger eines Staates im Europäischen Wirtschaftsraum. Wo in Deutschland ich es jedoch auftreiben konnte, wusste hier keiner. Also auf zu eigenen Recherchen. Die halbe Bundesversicherungsanstalt in Berlin machte ich rebellisch, um an ein Schreiben zu kommen, das meine bisherigen Krankenversicherungszeiten bestätigte. Als ich es endlich siegessicher den isländischen Behörden präsentierte, wurde es jedoch nicht anerkannt. Ein Geistesblitz ließ mich irgendwann noch bei der örtlichen deutschen Krankenkasse nachfragen, bei der ich seinerzeit versichert gewesen war. Na also! Genau dort wurde das verzweifelt gesuchte Formular ausgestellt und meine Behördenodyssee war zu Ende. Inzwischen wird dieses Papier, soweit ich weiß, durch die Europäische Krankenversicherungskarte ersetzt.
Recht schnell hatte ich sogar einen Hausarzt. Das ist, zumal für einen Nicht-Isländer, keine Selbstverständlichkeit. Irgendwann wurde ich Stefáns medizinischem Ansprechpartner zugeteilt, der wohl zufällig gerade einen Patientenplatz frei hatte. Dieses Glück hat nicht jeder. Aber was heißt hier Glück … Die Tatsache, einen Hausarzt zu haben heißt nämlich noch lange nicht, ihn jemals zu Gesicht zu bekommen! Wenn mich einmal der Gesundheits- Schuh drückt, läuft in der Regel folgendes Szenario ab: Nehmen wir an, ich wache mit einer schlimmen Erkältung auf. Obwohl ich mich hundeelend fühle, quäle ich mich aus dem Bett, um beim medizinischen Versorgungszentrum anzurufen, eine Art Gemeinschaftspraxis mehrerer Allgemeinärzte, der man gemäß Wohnadresse zugeteilt ist. „Ich bin krank. Kann ich heute vorbeikommen?“ „Wer ist dein Hausarzt?“ „XY“ „Bei dem ist heute nichts mehr frei. Komm nach 16 Uhr.“ Also, eben wieder einmal erst dann, wenn mein sogenannter Hausarzt bereits Feierabend hat. Mir scheint wirklich nur derjenige die Chance auf einen spontanen Hausarzttermin zu haben, der die eigenen Unpässlichkeiten entsprechend lange vorauszusehen vermag und sich so seinen Termin rechtzeitig sichern kann. Ich für meinen Teil besitze dieses Talent nicht. Vielleicht versuche ich das nächste Mal mein Glück lieber gleich beim ärztlichen Notdienst, der seine Tore öffnet, wenn mein medizinisches Versorgungszentrum schließt. Unter Umständen legt gerade dann und dort mein sogenannter Hausarzt eine abendliche Sonderschicht ein. Bis dahin bleibt er für mich ein Phantom.
Dieser eigenwilligen Gesetzmäßigkeit verdanke ich es, dass mir meine Gesundheit wohl oder übel schon teurer zu stehen kam als es eigentlich notwendig sein sollte – zumindest auf
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