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Zwischen Licht und Dunkel

Titel: Zwischen Licht und Dunkel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ursula Spitzbart
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Irgendwann bekam ich einen Anti- Walfang-Brief von Greenpeace an meine isländische Adresse geschickt. Abgeschickt war der Brief in Deutschland. Wie kam das und warum ausgerechnet ich? Bald stellte sich jedoch heraus, dass viele Isländer dieses Schreiben bekommen hatten. Eigentlich fast jeder, den ich kannte. Natürlich, das Nationalregister! Das hatte für die Greenpeace-Kampagne hergehalten. Um derartigen und vor allem wesentlich gravierenderen Missbrauch auszuschließen, ist jetzt der Zugang zu diesem ehemals allzu weltoffenen System beschränkt. Trotzdem kann ich darin stöbern. Isländische Firmen können das Nationalregister nämlich als Serviceleistung für ihre Kunden zugänglich machen. Wenn ich mich für das Homebanking meiner isländischen Bank einlogge, komme ich „rein“. Ich kann beliebige Personen anhand ihrer kennitala suchen und umgekehrt. Da die ersten sechs ihrer insgesamt zehn Ziffern immer das Geburtsdatum ihres Trägers sind, kann kein Islandbürger geheim halten, wann er geboren ist.
    Schon oft fragte ich mich, was wohl alles am Bildschirm erscheint, wenn meine kennitala auf der anderen Seite des – sagen wir – Bibliotheksschalters in den Computer eingetippt wird? Bei welcher Bank mein Konto ist? Ob ich einen Kredit aufgenommen habe? Ob ich vorbestraft bin? Wann ich bei welchem Arzt war? … Wie nachvollziehbar bin ich hier? Manchmal glaube ich gar, dass das Bild vom gläsernen Menschen der isländischen Realität gefährlich nahe kommt.
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    1     Siehe Kapitel „Neue Isländer“.

Die heimlichen Weltmeister
    Von etwaigen Finanzkrisen einmal abgesehen … Der Isländer ist überzeugt von seinen Qualitäten – und denen seines Landes. Bescheidenheit ist nicht seine Stärke, wenn es um die eigenen Reihen geht. Alles, was aus Island kommt, ist Spitzenklasse. Von vorne herein und ohne darüber nachzudenken. Es ist einfach so. Nehmen wir nur einmal die Musik als Beispiel. Sobald irgendein neues Album auf dem Markt erscheint, das auch nur im Entferntesten isländisch ist, wird es in unsere private Musiksammlung integriert. Seine Qualität ist dabei sekundär. Ich vermute, das ist nicht nur in unserem Heim so. Deshalb wird hier auch Durchschnittsgeplänkel schnell hochgepriesen und es glänzt mit Verkaufszahlen. Alleine die Tatsache genügt, dass etwas der Heimatinsel entsprungen ist, um jedes objektive Beurteilungsvermögen automatisch abzuschalten. Island, Island über alles! Dabei spielt es überhaupt keine Rolle, ob es sich um Musik, Schokoladenkonfekt oder Kartoffeln handelt. Meine Insulaner sind so eingenommen von der Qualität alles Isländischen und damit von sich selbst, dass sie schlicht und einfach jegliches Relativieren vergessen.
    Isländer müssen auch alles zuerst haben, was neu auf dem Markt ist. Fast automatisch steigt dadurch die Wahrscheinlichkeit, auf den vordersten Statistik- Plätzen dieser Welt zu rangieren. Und dort wollen sich meine Insulaner sehen. So oft wie möglich. Was ihr Interesse an Neuheiten betrifft, hatten sie ihre Nasen offenbar schon immer ziemlich weit vorne. Mit großem Vergnügen schmökerte ich wieder einmal in meinem Island-Merianheft von 1972, aus einer Zeit, in der die Nation dort droben im Norden für die Außenwelt wirklich noch geradezu jungfräulich war. Bereits dieses „Frühwerk“ bescheinigt den Isländern eine „sehr moderne Einstellung zu Wissenschaft und Technik“. Sie interessierten sich „außerordentlich für alle neuen Erfindungen auf dem Gebiet der Technologie. In ihrer Begeisterung für Neuheiten steckt fast etwas Kindliches. Sie sind in einem Ausmaß „neuheitensüchtig“, dass sie fast keinen neuen Artikel unausprobiert lassen. Dies gilt vor allem für Küchengeräte und Autos. Die meisten Häuser Islands verfügen über fast sämtliche elektrische Haushalts- und Küchengeräte, die der internationale Markt anbietet.“ Diese Grundaussage ist bis heute uneingeschränkt gültig, auch wenn als Maß für den technischen Stand der Dinge sicherlich nicht mehr Mixer & Co gelten, sondern vielmehr die modernen Mittel der Kommunikation.
    Handys! Alleine in unserem Haushalt liegen vier Stück auf Abruf. Von meinem eigenen, bewährten Exemplar abgesehen, hat mein lieber Gefährte gleich drei dieser Dinger parallel in Einsatz. Er will auf die langen Listen der eingespeicherten Rufnummern Zugriff haben. Ein elfjähriger Bub erzählte mir mit größter Selbstverständlichkeit, er hätte bereits seit seinem fünften

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