Zwischen Licht und Dunkel
ich weiß haargenau, was dann kommt: „Du sprichst aber gut Isländisch!“ „ Takk fyrir – danke!“ Welch Balsam auf meiner geplagten Seele! Da beißt die Maus keinen Faden ab: So gerne wie meine Insulaner die Kompliziertheit ihrer eigenen Sprache hervorheben – und das nicht ohne gewisse Genugtuung – so großzügig sind sie auch mit Komplimenten, wenn es um die Isländisch-Kenntnisse eines Nicht- Isländers geht. Selbst die geringsten Bemühungen werden hoch anerkannt. Dabei spielt es gar keine Rolle, wie fortgeschritten man letztendlich ist. Ein paar Worte reichen völlig aus, um Lobeshymnen auszulösen. Besonders ermutigend ist die Bestätigung, dass „die Deutschen zu denen gehören, die dabei mit den geringsten Problemen kämpfen“. Tatsächlich beherrschen die allermeisten deutschen Muttersprachler, die ich hier kenne, Isländisch recht passabel. Eine gute Portion an Zielstrebigkeit und Entschlossenheit, die dem Deutschen im allgemeinen zugesagt wird, zahlt sich eben auch bei der Herausforderung Isländisch aus.
Isländisch ist eine nordgermanische Sprache, Deutsch eine westgermanische. Damit sind die beiden sogar miteinander verwandt. Tatsächlich haben sie eine sehr ähnliche Struktur. So gibt es jeweils die drei Geschlechter Maskulin, Feminin und Neutrum; die vier Fälle Nominativ, Genitiv, Dativ und Akkusativ; die drei bestimmten Artikel der, die und das. In beiden Sprachen hängen sämtliche Wortendungen voneinander ab. Wie glücklich kann ich mich schätzen, dass mir dieses Konzept in die Wiege gelegt wurde! Wir Deutschsprachigen verstehen zumindest, wie die isländische Grammatik „gedacht“ ist. Auch der Isländer geht nämlich in das Haus, befindet sich aber in dem Haus. Ein gewaltiger Vorteil, auf den zum Beispiel ein englischer Muttersprachler nicht zurückgreifen kann. Darüber hinaus kamen mir in meinen Bemühungen, Isländisch zu lernen, die vielen ehemaligen Latein- und Altgriechisch-Stunden sehr gelegen, die ich im Laufe meiner Schullaufbahn genossen hatte. Nicht dass ich behaupte, Latein oder Altgriechisch zu sprechen, aber ich lernte damals wirklich, Sätze zu konstruieren.
Trotzdem war mein Weg bis zur Verständigung in der Landessprache lang und steinig. Die Erinnerung an die vielen Momente, die in meinen zaghaften Anfängen tägliches Brot waren, legte ich in der Schublade für frustrierende Erlebnisse ab: unter Einheimischen sitzen und nichts verstehen; keinerlei Vorstellung von dem haben, worum sich die angeregte Unterhaltung dreht. Dem wird jeder zustimmen, der schon in einer ähnlichen Lage war. Dabei ist es ganz egal, um welches Land und welche Sprache es sich handelt. Solange man im wahrsten Sinne des Wortes nicht mitreden kann, gehört man nicht dazu. Wer sich in seiner Wahlheimat nicht ganz ausgeschlossen fühlen will, hat sich deshalb lieber früher als später daran zu machen, die Landessprache zu erlernen. Daran führt kein Weg vorbei.
Der Volkshochschulkurs für Anfänger brachte mich über ein „Ich heiße Ursula“ und „Wie geht es dir?“ nicht wirklich hinaus. Für den Versuch, mir Isländisch mit Hilfe eines Lehrbuches selbst einigermaßen beizubringen, fehlte mir dann doch die nötige Motivation. Deshalb beschloss ich, zur Intensiv-Methode zu greifen: Abendkurs an der Universität. Zweimal die Woche, jeweils vier Stunden nach der Arbeit von fünf bis neun Uhr. Gesprochenes und geschriebenes Isländisch, Grammatik und Sprachlabor. Hausaufgaben, Zwischen- und Abschlussprüfungen. Harte Arbeit, die sich aber gelohnt hat. Eine gute Basis war gelegt. Das eigentliche Geheimnis meines Isländisch-Erfolges lag allerdings darin, gleich nach Kursabschluss eine Arbeitsstelle anzutreten, wo ich vom ersten Tag an die neue Sprache anzuwenden hatte. Zwölf Stunden am Stück. Ein großes Danke ergeht hiermit an meine Arbeitskollegen, die nicht müde wurden, meinen Wortschatz aufzustocken und mich geduldig zu verbessern! Die Mitarbeiter meiner früheren Abteilung, im gleichen Haus nur zwei Stockwerke tiefer, musste ich immer wieder an meine Fortschritte erinnern: „Hey, du kannst jetzt mit mir isländisch reden!“ Es dauerte sehr lange, bis sie das verinnerlicht hatten.
Generell neigt der Isländer dazu, sein Gespräch mit einem Anfänger auch nach einem Einstieg in seiner Sprache auf englisch fortzusetzen. Dagegen hilft nur eines: konsequent bei Isländisch bleiben! Unbekannte Wörter lassen sich notfalls in einer anderen Sprache einflicken. Bei uns zu Hause blieb
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