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Zwischen Licht und Dunkel

Titel: Zwischen Licht und Dunkel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ursula Spitzbart
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die eigens für diesen Zweck kostümierten Prozessionsteilnehmer von Dobermann mit Hut bis Schoßhündchen im maßgeschneiderten Islandpulli.
    Offiziell gilt der Laugavegur allerdings als Reykjavíks Haupteinkaufsstraße. Mode, Schmuck und Souvenirs. Die Tax-Free-Fahnen vor vielen Schaufenstern richten ihren Einkaufs-Wink mit dem Zaunpfahl auch an Islandurlauber.
    Doch für die Einheimischen – den Isländer im allgemeinen und den „Reykvíkingur“ im besonderen – ist das Einkaufen am Laugavegur oft nur noch Nebensache. Denn dafür sind jetzt Einkaufszentren da, Kringlan oder Smáralind , die wettersicheren Alternativen auch für den Sonntagsausflug mit der ganzen Familie. Mit Eis, Würstchen oder sogar einem Kinobesuch.
    Der Laugavegur erfüllt statt dessen nach meiner Beobachtung und Erfahrung einen anderen Zweck: sehen und gesehen werden. Es ist geradezu ein Reykjavíker Ritual, den Laugavegur in mehr oder weniger regelmäßigen Abständen auf und ab zu bummeln in der berechtigten Erwartung, auf bekannte Gesichter zu stoßen. Die seltenen, gemeinsamen Stadtspaziergänge, zu denen ich Stefán animieren kann, werden für mich jedes Mal zum langwierigen und mühevollen Unterfangen nach dem Stop-and-Go-Prinzip. Mein lieber Begleiter hält nämlich alle paar Meter zu einem ausgiebigen Schwatz an. Derweil habe ich mehr Zeit für Stehkaffee als mir lieb ist. Gut, mir ergeht es auch ein bisschen so. Kaum einmal komme ich von einem Stadtbummel nach Hause, ohne eine Bekanntschaft aufgefrischt zu haben.
    Eine besonders beliebte Variante ist das Flanieren auf vier Rädern „den Laugavegur hinunter“. Das lässt sich grundsätzlich nur im Schneckentempo bewältigen und macht sich besonders gut in schicken, frisch polierten Karossen. Zum ersten Mal begegnete ich diesem isländischen Freizeit- und vor allem Wochenendritual auf meiner schicksalsträchtigen Urlaubsreise im nördlichen Akureyri. Ich saß im Café, und irgendwann fiel mir auf, dass in regelmäßigen Abständen immer wieder die gleichen Autos vorbeizogen. Ob das daran liegt, dass es mitunter nicht viel anderes zu tun gibt? Dass sich Straßenecken als Freiluft-Jugendtreff aus wettertechnischen Gründen nicht unbedingt eignen? Ihren besonderen Reiz hat die bereifte Laugavegur -Tour zur nächtlichen Stunde. Wer einmal einen isländischen Verkehrsstau erleben will, hat dort weit nach Mitternacht die beste und sicherste Gelegenheit dazu. Sollten Stefán und ich einmal zu später Stunde mit dem Auto unterwegs sein, nehmen auch wir die Flaniermeile mit. Vorsicht ist dabei allerdings besonders am Wochenende geboten, gilt es doch nicht nur torkelnden Partygästen auszuweichen, sondern auch den vielen Glasscherben, mit denen Gehsteig und Straße im Laufe der Nacht übersät werden. Die vereinzelten, im Ganzen abgestellten Gläser sammeln wir manchmal ein mit dem Ergebnis, dass der Großteil unserer privaten Trinkglassammlung von Reykjavíks Innenstadtstraßen stammt.
    Denn föstudagur er flöskudagur . Freitag ist Flaschentag. So wie Samstag nammi -Tag ist. 1 Reykjavíks heißes Partyleben brachte es zu Weltruhm. Egal ob taghell oder stockdunkel, ob Sommer oder Winter. Nachts brummt die Innenstadt. Auch Island wird dabei dem zweifelhaften Ruf gerecht, den die Nordländer in Sachen Alkohol im allgemeinen genießen. Die Prozente fließen reichlich. Und trotzdem: „Auf Island wird pro Person wenig getrunken. Die isländische Nation ist eine der fünf, in der am wenigsten Alkohol konsumiert wird.“ Dieses Ergebnis einer innerhalb der dreißig OECD-Staaten durchgeführten Studie wurde Ende 2007 veröffentlicht und überraschte vielleicht nicht nur mich. Die Feststellung „Isländer trinken am wenigsten aller europäischen Nationen“, die ich im Januar 2008 in einer anderen Zeitung fand, hörte sich gleich noch besser an. Denn auf Island darf für Alkoholika nicht geworben werden, ihr Preis ist hoch und der Zugang beschränkt. Soweit die gute Nachricht.
    Entgegenzuhalten ist dieser frohen Botschaft allerdings, dass der Alkoholkonsum meiner Insulaner in einem guten Vierteljahrhundert innerhalb der OECD am meisten zunahm, oder anders ausgedrückt um fast zwei Drittel. Die Kaufkraft ist gestiegen, der Preis insgesamt gefallen und die Verkaufsstellen sind mehr geworden. Außerdem werden jetzt weniger harte Sachen konsumiert, dafür mehr Leichteres wie Wein und Bier. Der Grund hierfür ist offensichtlich: Zu Beginn des 20. Jahrhunderts forderte eine Volksabstimmung

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