Zwischen Liebe und Intrige
hatte.
"Sie
haben Glück, dass Ihnen so eine Gelegenheit geboten wird",
sagte Pierre.
Sadie
suchte verzweifelt nach den Argumenten, die sie Leon so vehement an
den Kopf geworfen hatte. "Ich arbeite lieber für einzelne
Kunden", erklärte sie.
"Pah!"
Pierre verwarf das mit einer energischen Geste. "Filmstars und
dergleichen – die kommen und gehen und sind so launisch wie das
Wetter! Heute tragen sie Ihr Parfüm und morgen ein anderes."
Widerstrebend
musste Sadie zugeben, dass seine Worte ein Körnchen Wahrheit
enthielten. Momentan waren ihre Düfte sehr beliebt, aber das
konnte sich über Nacht ändern. Und dann …
Sie
runzelte die Stirn. Dachte sie etwa im Ernst daran, aufzugeben und
sich von Leon vereinnahmen zu lassen?
Doch
was, wenn Pierre Recht hatte? Wenn ihr ein großartiges neues
Parfüm gelang, das alle Welt tragen wollte?
Ihr
wurde schwindelig bei der Vorstellung, wie wunderbar es wäre,
den lang gehegten Traum ihrer Großmutter Wirklichkeit werden zu
lassen.
Doch
Sadie war nicht dumm. Sie wusste sehr wohl, dass die Massenproduktion
eines Parfüms aus natürlichen Rohstoffen unmöglich
war, was bedeutete …
"Es
geht nicht, Pierre", sagte sie kopfschüttelnd. "Sie
wissen, was ich von synthetischen Duftstoffen halte."
"Darin
sind wir uns einig, aber die Zeiten haben sich geändert, und man
muss Kompromisse eingehen. Stellen Sie sich vor, was für ein
Erfolg es wäre, eine perfekte Mischung aus alten und neuen
Komponenten, natürlichen und synthetischen, zu schaffen."
"Das
ist noch niemandem gelungen."
"Bis
jetzt", sagte Pierre schlau.
Sadie
versuchte, einen klaren Kopf zu behalten.
"Glauben
Sie wirklich, ich könnte das?" fragte sie zweifelnd.
"Ich
bin davon überzeugt. Wer, wenn nicht Sie? Sie haben den
Hintergrund, das Wissen, die Erfahrung, das Feingefühl, das
Verständnis … Sie haben eine ganz besondere Begabung, die
sich entfalten muss wie ein edler Duft, um jeden zu bezaubern, der
damit in Berührung kommt."
Verwundert
sah sie ihn an. In ihrem Kopf herrschte ein wildes Durcheinander von
Gedanken und Gefühlen. Konnte sie es? Konnte sie wirklich ein so
einzigartiges Parfüm entwerfen?
Es
würde den Namen Francine tragen und ähnlich aufgebaut sein
wie Myrrh, nur dezenter. Jeder, der seinen Duft wahrnahm, würde
seiner Trägerin näher kommen wollen, um es noch einmal
riechen zu können. Es würde sinnlich sein, aber mit
spielerischer Note, verlockend, aber seriös. Ein sehr weibliches
Parfüm, charmant und betörend. Ein Duft, auf den ihre
Großmutter stolz gewesen wäre.
Überrascht
stellte Sadie fest, dass sie bereits auf den Beinen und auf dem Weg
zur Tür war.
"Ich
muss los, Pierre", sagte sie zerstreut.
Natürlich
musste sie sichergehen, dass Leon sich an die Abmachungen hielt. Und
sie brauchte volle Handlungsfreiheit, was die Herstellung des neuen
Parfüms betraf. Leon durfte ihr nicht hineinreden. Das Parfüm
würde allein ihr Werk sein und Francines Namen tragen. Es würde,
so stellte sie sich begeistert vor, dem Haus wieder zu Ruhm und Glanz
verhelfen. Es wäre ihr ganz persönliches Geschenk an ihre
geliebte Großmutter.
3.
Kapitel
Im
Auto las Sadie die Textmeldung, die Raoul auf ihrem Handy
hinterlassen hatte. Darin bat er sie, nach Grasse zurückzukommen,
um noch einmal mit ihm zu reden.
Sadie,
beflügelt von dem Gespräch mit Pierre, ließ ihren
Cousin wissen, dass sie bereits unterwegs war.
Diesmal
öffnete er selbst die Haustür, drückte Sadie liebevoll
an sich und entschuldigte sich für den vorangegangenen Streit,
bevor sie auch nur ein Wort sagen konnte.
"Du
hattest mir versprochen, erst unter vier Augen mit mir zu reden, ohne
Leon", sagte sie zurückhaltend.
"Ich
weiß, ich weiß …" Er wirkte am Boden
zerstört. Fürsorglich geleitete er sie in den Salon.
Eine
Schande, das Haus so verkommen zu lassen, dachte Sadie zum zweiten
Mal an diesem Tag. Es bot so viele Möglichkeiten. Mit etwas
Geschick hätte man ein wundervolles Zuhause für eine
Familie daraus machen können. Melancholisch sah sie auf den Hof
hinaus und versuchte sich vorzustellen, wie ihre Großmutter als
kleines Mädchen dort gespielt hatte. Die Wassertropfen des
Springbrunnens glitzerten in der Sonne, und plötzlich glaubte
Sadie, ein Kleinkind über das Pflaster tollen zu sehen. Doch es
sah nicht aus wie ihre Großmutter in frühen Jahren. Es war
ein kräftiger, dunkelhaariger kleiner Junge mit grünen
Augen und hatte verblüffende Ähnlichkeit mit …
Als
sie merkte, mit wem,
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