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Zwischen Mond und Versprechen

Zwischen Mond und Versprechen

Titel: Zwischen Mond und Versprechen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Shannon Delany
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seiner Hand lag, sondern weil mich jeder faszinierte, der nicht von hier kam.
    Alles an Mr Perlson verriet, dass er nicht aus Junction kam. Ich hoffte, dass dies zu meinem Vorteil sein würde. Mit seiner weltoffeneren Haltung würde er vielleicht mehr Verständnis für meine Situation aufbringen. Dass ich nicht viel erklären musste, während Mr Maloy sich wieder einmal traurig nickend Notizen machte.
    Perlson warf mir einen sehr enttäuschten Blick zu, bevor er mit dem Coach in seinem Büro verschwand.
    Ein einziger Blick von ihm genügte, um bei mir Schuldgefühle hervorzurufen. Vielleicht war diese Fähigkeit eine Voraussetzung für den Job eines Konrektors. Oder es war so ein abgefahrener Voodoo-Trick von ihm.
    Ich weigerte mich rundweg, Letzteres in Erwägung zu ziehen, weil es mir wichtig war, was er von mir hielt. Er war im Rahmen eines Austauschprogramms hier, gehörte also nur vorübergehend zur Junction-Gemeinde. Wahrscheinlich verließ er den Ort zum Jahresende wieder– wie jeder, der einen gesunden Menschenverstand besaß.
    Ich fuhr mit den Fingern an der Kante des Zettels entlang. Mom hatte jede Menge gesunden Menschenverstand besessen. Und einen starken Willen. Aber beides war in Junction dem Untergang geweiht. Es funktionierte wie ein langsamer Abfluss– die Fähigkeit, Mensch und zugleich menschlich zu sein, schwand allmählich dahin. Ich hätte ihr nicht einmal einen Vorwurf gemacht, wenn sie von hier weggewollt hätte. Aber das war nicht ihr Ziel gewesen an dem Abend, als der Unfall geschah.
    Verdammt. Ich merkte, wie mir Tränen in die Augen stiegen. Ich hielt sie mühsam zurück und ärgerte mich über meine Schwäche. Ich verstaute den Zettel in meine Tasche und wippte mit meinen Turnschuhen auf dem Boden. Ich musste mir eine handfeste Verteidigung zurechtlegen, um aus diesem Schlamassel wieder herauszukommen.
    Ich wollte aber nicht auf unzurechnungsfähig machen– obwohl das wahrscheinlich anstandslos akzeptiert worden wäre.
    Das war vielleicht das Schlimmste– die Erwartung der anderen, dass ich völlig zusammenbreche. Sie rechneten damit– aber es geschah nicht. Ich konnte einfach nicht aus mir heraus. Wenn die Schlägerei in der Umkleide als Nervenzusammenbruch durchging, würde das mein Verhalten entschuldigen. Vielleicht würde man sogar etwas Verständnisvolles murmeln. Aber ich war nur ausgerastet– nicht zusammengebrochen. Das würde mir nie passieren. Also kein Nervenzusammenbruch. Pech gehabt.
    Was sollte ich ihnen bloß erzählen? Ich beugte mich vor und musterte meine Fingernägel und grübelte über den wenigen Optionen, die mir blieben. Ich war tief in Gedanken und merkte nicht, wie die Zeit verging.
    Die Tür ging auf. Ich erblickte Sneaker. Schicke Sneaker– nicht so billige Fälschungen, wie ich sie trug. Mein Blick wanderte von den Schuhen nach oben zu ihrem Besitzer.
    » Hey. « Derek reichte mir mein Sportzeug.
    Ich errötete. » Hey « , antwortete ich unsicher.
    » Ich habe gehört, Jenny und Macie waren echt fies zu dir. « Er setzte sich neben mich auf einen Stuhl.
    Ich verdrehte die Augen. » Das ist so dermaßen untertrieben. «
    » Du nimmst kein Blatt vor den Mund, oder? «
    Darauf antwortete ich nichts, es klang fast wie ein Vorwurf.
    Er legte seine Hand auf mein Knie. Mein nacktes Knie. Mein ganzer Körper kribbelte und mein Hirn setzte aus. Ich hatte Mühe, weiterzuatmen. Ich sah ihn an und überlegte, wie lang man es ohne Luft aushalten konnte, ohne in Ohnmacht zu fallen. » Sag möglichst wenig « , riet er mir. » Überlass mir das Reden. «
    Ich sah ihn ratlos an, bracht aber ein Nicken zustande.
    » Gut. « Er zog seine Hand zurück, worauf meine Lungen ihre Tätigkeit wieder aufnahmen. Unwillkürlich stieß ich einen Seufzer aus. Er lächelte. » Ich weiß, was man in so einer Situation macht « , versprach er.
    Ich glaubte ihm. Ich musste einfach glauben, dass Derek » the man « Jamieson alles gelang, was er anpackte. Ich spürte tief in meinem Inneren eine wohlige Wärme, ich merkte, dass ich herausfinden wollte, ob dieser Glaube berechtigt war.
    Derek schlüpfte so unauffällig aus dem Büro, wie er gekommen war. Na ja, er zwinkerte den Sekretärinnen zu und erkundigte sich nach ihren Kindern– drohte sogar, die Tochter der einen zu heiraten, sobald sie alt genug war–, aber dann ging er wirklich. Die Frauen, die alle ungefähr in mittlerem Alter waren, kicherten, weil sie sich von einem Elftklässler hatten um den Finger wickeln lassen. Wenn

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