Zwischen Mond und Versprechen
hielt meine Hand. Sie streichelte beruhigend meinen Arm.
Ich schüttelte sie ab und wurde nur noch wütender. » Ich… «
Coach Mac drehte mich wieder um, sodass ich den Flur hinunterblickte, der zum Rektorat führte– und zu meiner Verurteilung. » Du hast den ersten Schlag getan, Kleines. Man darf nie den ersten Schlag tun. «
Ich kaute auf meiner Unterlippe. Eine Schlägerei mit den Cheerleadern, den reichen Mädchen. Was würde das für Konsequenzen haben? Macies Mom war Mitglied im Schulausschuss und spendete eine Haufen Geld, um das Cheerleader-Team von professionellen Choreographen trainieren zu lassen. Jenny und Macie waren mächtig, aber erst ihre Mütter…
Mein Kopf dröhnte. Mein Highschool-Zeugnis sollte mein Ticket in die große weite Welt werden und nicht der Beginn einer Polizeiakte, die mir den Zugang zum College meiner Wahl verwehren würde.
Ich hörte Sarah leise sprechen und wusste, dass sie Pietr im Schlepptau hatte. Könnte er nicht eins der anderen Mädchen bitten, sich um seinen Stundenplan zu kümmern? Es gab genug, die scharf darauf waren, ihn in der Schule herumzuführen. Er musste mir doch nicht wie ein Hündchen folgen. Ich zwang mich, auf den Boden zu sehen, um nicht versehentlich seinen Blick zu kreuzen. Ich überlegte, warum es mir nicht egal war, was er über mich dachte. Die Vorstellung, dass er ein schlechtes Bild von mir bekommen könnte, verursachte mir Bauchschmerzen.
Ich verscheuchte diese Gedanken. Ich musste eine Verteidigungsrede vorbereiten und konnte mir keine Schwäche wegen irgendeinem Typ erlauben. Hätte ich nur meinen Troststein dabeigehabt. Ich hätte ihn auf Hochglanz poliert, nur um runterzukommen.
Die Krankenschwester rauschte an uns vorbei und sah mich vorwurfsvoll an, als Amber sie zur Eile drängte. Sie hatte eine Kühlbox dabei, die wahrscheinlich Eis und Verbandszeug enthielt. Ich musste daran denken, ihr ein paar neue Stifte zu besorgen. Obwohl das ihre Meinung über mich jetzt wahrscheinlich auch nicht mehr ändern würde. Aus Versehen ein paar Stifte mitgehen lassen war eins, die Cheerleaderinnen zu verprügeln war definitiv etwas anderes.
Mein Magen grummelte unangenehm. Diese Sache konnte mir nicht nur eine Disziplinarstrafe, sondern meiner Familie auch eine Klage einbringen. Ich hatte es also geschafft, klang es in meinem Kopf, als ich das Rektorat betrat– ich hatte zerstört, was von der Zukunft meiner Familie noch übrig gewesen war.
Die Tür fiel hinter dem Coach ins Schloss und er bugsierte mich auf einen Stuhl. Durch die dicke Glasscheibe des Büros erblickte ich Pietr. Er sah mich an. Seine Augen waren tiefblau, sie wirkten besorgt.
Nun ja. Wenigstens musst er sich in meinem Fall um keinen Todessprung sorgen. Meine Verantwortungslosigkeit war harmlos im Vergleich zu dem, was er sich im Altenheim geleistet hatte. Verärgert drehte ich mich weg, schielte aber heimlich immer wieder zu ihm hinüber.
Sarah griff nach seinem Arm. Sie deutete nach hinten zu den Klassenzimmern und sagte etwas. Er schüttelte den Kopf und zeigte auf die Uhr, die vor dem Sekretariat hing. Ich drehte mich leicht auf meinem Stuhl um, um eine bessere (aber trotzdem unauffällige) Sicht zu bekommen. Sarah zog ihr Handy hervor und deutete auf das Display und sagte etwas. Wahrscheinlich hatte sie Angst, zu spät zu kommen. Pietr sah mich an, doch ich tat so, als würde ich von der Diskussion vor der Tür nichts mitbekommen.
Ich sah aus den Augenwinkeln, dass Pietr sie stehen ließ und sich genau in die entgegengesetzte Richtung aufmachte. Er haute ab…
Sarah warf ihre Arme in die Luft und machte sich wütend auf den Weg zum Klassenzimmer, in das eigentlich auch Pietr hätte gehen sollen. Wo zum Teufel ging er hin? Und warum?
Ich verschränkte meine Arme und hörte mit halbem Ohr zu, was der Coach unserem Konrektor Perlson vorjammerte. Ich hing meinen Gedanken nach und fühlte mich unwohl.
Durch das Herumsitzen im Rektorat kühlte meine Wut ein wenig ab. Ich hatte den Brief meiner Mom wieder– unbeschädigt– und verpasste einen Test in Biologie. Ich bemühte mich um ein Fitzelchen Optimismus und kam schließlich zu dem Schluss, dass meine Lage schlimmer hätte sein können.
Der Konrektor lauschte den Ausführungen von Coach Mac. Dann antwortete er in seinem schweren Insel-Dialekt und streckte seine schwarzen Hände. Ich lauschte jedem einzelnen seiner Worte– nicht, weil es mir bei seiner melodischen Stimme schwerfiel zu glauben, dass mein Schicksal in
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