Zwischen Mond und Versprechen
» Sie ist nicht mehr dieselbe Sarah « , beharrte ich.
» Nein « , stieß Amy hervor, » sie ist überhaupt nicht mehr dieselbe. «
Plötzlich war Pietr da. Vor lauter Eile rannte er Amy fast um. » Jess… «
Ein Stückchen hinter ihm entdeckte ich Sarah, die vier Becher balancierte. » Jessica? «
Pietr fasste mich unter die Arme, zog mich hoch und führte mich hastig zur Tür. Meine Füße berührten kaum den Boden.
Das Letzte, was ich sah, war Sarah, die wie vom Donner gerührt mit ihren Punschbechern dastand. » Jessica? Pietr? « , rief sie.
Aber wir waren fort.
Halb trug er mich, halb schob er mich den ganzen Weg bis zur Toilette.
» Äh, nein… « , schniefte ich, als ich die Aufschrift » Jungen « auf der Tür las. Er machte auf und schubste mich hinein. Ich stand vor einem gesprungenen Spiegel, während er die Toilettenkabinen kontrollierte.
Zufrieden lehnte er sich an die Tür, rutschte nach unten bis auf die Fliesen und drückte mit dem Rücken die Tür zu.
Wir waren allein.
Ich konzentrierte mich auf den Spiegel und sah Pietr nur ab und zu aus den Augenwinkeln an. » Ich hätte wohl in wasserfeste Wimperntusche investieren sollen « , witzelte ich.
Aus der eisernen Stille schloss ich, dass er es nicht komisch fand. » Lass das « , sagte er.
» Lass was? «
» Versteck dich nicht wieder hinter deiner Maske. « Er sah mich nicht an, sondern blickte auf seine Füße. » Das machst du nämlich gerne, nicht wahr? «
» Was? «
» Lügen. So tun, als ob nichts wäre. Als könnten Lügen Menschen schützen. Aber das funktioniert nicht « , sagte er– und ich fand, dass es eher wie ein Geständnis klang. » Das macht alles nur kaputt. «
» Aber ich… «
» Du hast gelogen, als du behauptet hast, du magst mich nicht. Du hast gelogen, als du behauptet hast, du willst, dass ich mit Sarah auf den Ball gehe. Du lügst sogar jetzt in diesem Moment, wenn du sagst, dass du nicht lügst. Und… « , er sah mich fragend an, » die größte Lüge ist, dass du mir nicht erzählst, was zwischen dir und Sarah eigentlich los ist. «
» Eine Unterlassungssünde « , sagte ich gleichgültig. » Und warum willst du mir helfen, obwohl du weißt, dass ich meine beste Freundin belüge? «
» Weil ich dich kenne « , sagte er.
» Wie das? «
» Einfach so. Außerdem haben Lügen kurze Beine. « Er schwieg einen Augenblick. » Und was hat dich eben so mitgenommen? «
» Hör mal, mir geht’s einfach nicht gut, okay? Ich mache gerade einiges durch und das nicht auf die feine Art. «
» Du redest um den heißen Brei herum. «
» Welchen Brei? «
» Was ist das Problem zwischen dir und Sarah? «
Ich sah zur Tür.
Er schüttelte den Kopf. » Du gehst nicht durch diese Tür, bevor ich nicht eine Antwort von dir bekommen habe. «
Also erzählte ich es ihm. Alles. Über den Autounfall und den Tod meiner Mutter. Dass ich Sarah geholfen hatte, wieder gesund zu werden, dass ich versuchte, die Wahrheit darüber, wie sie vor dem Unfall gewesen war, zu verschleiern. Dass ich Sarah nicht verraten wollte, dass sie an dem Unfall schuld war… Ich gestand ihm auch, dass ich meine geliebte, allerbeste Freundin manchmal hasste.
Er hörte zu und ich schüttete ihm das Herz aus. Und das war genau das, was ich brauchte.
» Ist sie gefährlich? « , fragte er leise.
» Was? «
» Ist Sarah gefährlich? «
» Ich… « , ich rieb mir die Augen, » ich weiß nicht. Sie ist jetzt so anders. Früher war sie gemein. Böse. Damals war sie auf jeden Fall gefährlich. «
Er betrachtete schweigend seine Hände.
» Was denkst du? « , fragte ich, war mir aber nicht sicher, ob ich die Antwort wirklich hören wollte.
» He! « Jemand donnerte gegen die Tür.
Pietr hob seine Hand und klopfte im Sitzen gegen die Tür. » Klo ist außer Betrieb! «
Ich war froh, dass er antwortete. Ich war noch nicht so weit, mit irgendjemandem zu reden. Außer mit Pietr.
Von außen war ein Kichern zu hören, dann Schritte, die sich entfernten.
» Wasch dir die Augen ein bisschen « , schlug Pietr vor.
» Woher wusstest du, dass ich genau das brauchte? «
Er zuckte die Achseln. » Du hast so ausgesehen, wie ich mich schon unzählige Male gefühlt habe. Am Ende. «
» Du verstehst es wirklich, Komplimente zu machen. «
Sein einer Mundwinkel bog sich nach oben zu einem schiefen Lächeln. Es gefiel mir. Aber gleich darauf verschwand das Lächeln wieder. » Ich muss dir auch etwas sagen. « Er zögerte, kaum dass er gesprochen hatte. Aber
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